Kultur

Besuch in der “Bax”, dem Künstlerhaus Geiger in Übersee-Feldwies.

Veröffentlicht von Günther Freund

Sie ist gar nicht so leicht zu finden, die sogenannte  “Bax” , ein altes unter Denkmalschutz stehendes  Bauernhaus im Überseer Ortsteil Baumgarten/Neuwies. Aber es lohnt sich danach zu suchen, auch wenn das Künstlerhaus am Chiemsee meistens nicht zugänglich ist, denn allein die Lage und das Gebäude sind sehenswert. Wenn das Haus dann auch noch so wie alle 3 Jahre im Rahmen einer Ausstellung  göffnet ist, sollte man sich einen Besuch nicht entgehen lassen.

Heuer war es wieder einmal soweit, vom 10.Juli bis 12.September fand in dem vom Maler und Grafiker Willi Geiger (1878-1971)  1930 in Übersee am Chiemsee erworbenen 350-jährigen verfallenen Bauernhaus die Ausstellung “”Farbe als Motiv” statt. Willi Geiger hatte das Gebäude zusammen mit seinem Sohn Rupp­recht Geiger, Maler und Architekt, wieder aufgebaut Die Bax wurde während der Zeit des Naziregimes zum Zufluchtsort Willi Geigers, an die er sich in »innerer Emigration« zurückzog Er machte die Bax zu einem Ort des freien Ideenaustauschs, der als »Menschlichkeitsoase« bezeichnet wurde. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Bax von der Familie Geiger als Ferienhaus genutzt.

In den 1980er Jahren führte die Architektin Monika Geiger, Schwiegertochter von Willi Geiger, Umbau- und Sanierungsmaßnahmen  durch und 2004 gab es  die erste Ausstellung »Willi Geiger in der Bax« Seitdem werden von Zeit zu Zeit Sommerausstellungen zur Künstlerfamilie Geiger gezeigt. In der diesjährigen Ausstellung “”Farbe als Motiv” war deutlich zu sehen, wie nahe sich Vater und Sohn künstlerisch standen.  Gezeigt wurden ausgewählte Werke beider Künstler, die sich einerseits thematisch und bildnerisch gegenseitig ergänzen, andererseits jedoch gleichzeitig stark voneinander unterscheiden. Die farbenfrohen Landschaftsdarstellungen und Stillleben der beiden Künstler zeigen anschaulich den direkten Bezug zur Bax und deren Umgebung.

Im Wohnhaus spürt man auch heute noch die Atmosphäre jener Zeit, in der Willi Geiger mit seinen Künstlerkollegen und Freunden um den Tisch saß.

Bericht und Fotos: Günther Freund

 Auszug aus dem Flyer zu “Farbe als Motiv”:

Am Chiemsee setzten sich Vater und Sohn zeitlebens intensiv mit der Natur auseinander, sei es, um diese abstrahiert wiederzugeben oder sich davon zu lösen. Die lebenslange Faszination für Licht und Farbe entsteht bei beiden auf Reisen in den Süden ans Mittelmeer. Als sich Willi Geiger Mitte der zwanziger Jahre mit der Malerei El Grecos in Spanien auseinandersetzt, fällt es ihm noch schwer, die »Magie der Farbe« direkt in sein Werk zu übertragen. Erst im Spätwerk rückt die Farbe in den Vordergrund seines Schaffens. In den späten Blumendarstellungen vollzieht sich die Loslösung vom Gegenstand bis hin zur vollkommenen Abstraktion, formal als auch farblich. Nur vage erinnern die letzten Blumenbilder an ihr eigentliches Thema und bieten einen guten Vorwand, um mit einfachen Formen und intensiven Farben zu »spielen«. Vor einem dieser Blumenstillleben sagt Willi Geiger im hohen Alter: »Allmählich fange ich an zu begreifen, was Malerei ist.«Dagegen stellt Rupprecht Geiger bereits am Anfang seines künstlerischen Schaffens die Farbe an sich und deren vielfältige Darstellungsmöglichkeiten ins Zentrum seines Werks, auch wenn seine frühen farbintensiven Gouachen und Aquarelle noch gegenständlich sind. Zugunsten der Farbe beginnt er schnell mit der allmählichen Reduzierung seines Formvokabulars auf einfache geometrische Gebilde. Er konzentriert sich auf die Farbwahrnehmung, die möglichst rein und von äußeren Störungen befreit werden soll. »Immer geht es ja um die Erkennbarkeit der Farbe, um zu erfahren, wie Farbe wirklich ist«, notiert er 1975 in einem Skizzenbuch. Ab den frühen fünfziger Jahren verwendet Rupprecht Geiger als einer der ersten Künstler in Deutschland chemisch hergestellte Tagesleuchtfarbpigmente, die mittlerweile als Synonym für sein Werk gelten. Diese fluoreszierenden Leuchtfarben sind besonders geeignet, seinem Anliegen, das »Porträt der Farbe« zu schaffen, näher zu kommen. Unter dem direkten Einfluss seines Sohnes beginnt Willi Geiger Mitte der sechziger Jahre auch mit diesen besonderen Pigmenten zu arbeiten. Und so erzählt man sich in der Familie, dass der Vater anfänglich die Tagesleuchtfarben heimlich aus dem Atelier seines Sohnes entwendet. Auch ihm geht es nun darum, Licht und Farbe einzufangen.

Willi Geiger1878–1971 / Maler und Grafiker

1878 Geboren in Schönbrunn bei Landshut als Sohn von Georg und Maria Geiger

1901–1905 Studium der Malerei als Meisterschüler Franz von Stucks an der Akademie der Bildenden Künste in München, Radiertechnik bei Peter Halm

1905 Graf-Schack-Preis für die Mappe Liebe; Reisen nach Italien, Tunesien, Frankreich und Spanien

1910 Villa-Romana-Preis des Deutschen Künstlerbunds, einjähriger Aufenthalt in Florenz

1911–1914 Berliner Zeit; Konzentration auf Grafik und Exlibris

1919–1923 Professur für eine Aktklasse an der Münchner Kunstgewerbeschule

1923–1925 Spanienaufenthalt der Familie; Auseinandersetzung mit der Malerei El Grecos und Entdeckung der »Magie der Farbe«; Reisen auf die Kanaren und nach Marokko

1928–1933 Professur für Malerei an der Staatlichen Akademie für Graphik und Buchkunst in Leipzig bis zur fristlosen Entlassung aufgrund politischer Denunziationen

1933–1945 Rückzug nach München und an den Chiemsee in die »innere Emigration«; Entstehung zahlreicher Landschaftsaquarelle sowie der Zeichnungen für die nach dem Krieg erschienenen Mappen Zwölf Jahre und Eine Abrechnung

1946–1951 Rehabilitation durch eine Professur für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in München; zahlreiche Ehrungen, u.a. Kulturpreis der Stadt München (1951)

 Rupprecht Geiger 1908–2009 / Architekt und Maler

1908 Geboren in München als einziger Sohn von Willi und Clara Geiger

1923–1925 Spanienaufenthalt der Familie

1926–1929 Architekturstudium an der Kunstgewerbeschule in München bei Eduard Pfeiffer, anschließend zweijährige Maurerlehre bis 1932

1933–1935 Architekturstudium an der Staatsbauschule in München

1936–1940 Arbeit in verschiedenen Münchner Architekturbüros

1940–1944 Kriegsdienst an der Ostfront in Polen und Russland; autodidaktisches Studium der Malerei als Kriegsmaler in der Ukraine und in Griechenland; Beginn seiner malerischen Laufbahn mit Landschaftsansichten

1949 Mitbegründer der Künstlergruppe ZEN 49; in dieser Zeit entstehen erste Druckgrafiken.

1949–1962 Tätigkeit als selbständiger Architekt zusammen mit seiner Frau Monika; ab Mitte der fünfziger Jahre Verwendung von Tagesleuchtfarben

1951 Domnick-Preis, es folgen zahlreiche weitere Preise, u.a. der Kunstpreis der Akademie der Künste Berlin (1988) und der Bayerische Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (1993)

1959 Teilnahme an der documenta in Kassel (auch in den Jahren 1964, 1968, 1977)1965–1976 Professur für Malerei an der Staatlichen Kunst

akademie in Düsseldorf

2002 Auf der XXV Bienal de São Paulo in Brasilien repräsentiert Rupprecht Geiger Deutschland mit einer aus vier großformatigen Leinwänden bestehenden Raumarbeit.

2008 Anlässlich seines 100. Geburtstags zahlreiche Ausstellungen, u.a. in München, Berlin, Siegen

 

 

Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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