Wirtschaft

Bayern: Handwerk stemmt sich gegen Rezession

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Peteranderl: „Die meisten Betriebe scheinen die Dauerkrise geschickt zu meistern“  –  Materialengpässe, steigende Energiepreise, nachlassende Kaufkraft und hohe Inflation haben sich 2022 zu einem regelrechten Giftcocktail für weite Teile der Wirtschaft vermischt. Trotzdem haben sich die schlimmsten Befürchtungen vieler Wirtschaftsforscher bislang nicht bestätigt. Erste Fachleute setzen bereits darauf, dass statt einer tiefgreifenden Rezession eine sanfte Landung gelingt. „Auch die meisten Handwerksbetriebe scheinen die Dauerkrise geschickt zu meistern. In den Konjunkturumfragen der Handwerkskammern im Freistaat meldeten immer noch 41 Prozent der befragten bayerischen Handwerksbetriebe eine gute und weitere 43 Prozent eine befriedigende Geschäftslage im 4. Quartal 2022. Gegenüber dem noch von der Corona-Pandemie geprägten Vergleichszeitraum des Vorjahres steht insgesamt sogar ein leichter Zuwachs um 2 Punkte“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT).

Trotzdem bleibt die Lage fragil: In der Baubranche stieg der Anteil der Unternehmen, die ihre wirtschaftliche Situation negativ einschätzen, von 16 auf 38 Punkte. Daran dürften auch die zuletzt wieder zunehmenden Auftragsstornierungen ihren Anteil haben: Laut ifo-Institut waren im 4. Quartal 2022 im Schnitt etwa 16 Prozent der Unternehmen im Wohnungsbau von Rücktritten ihrer Kunden betroffen. Vor der Pandemie lag dieser Wert stets unter fünf Prozent. Dagegen hat sich die Lage beim Material gegen Jahresende wieder etwas entspannt: Laut ifo-Institut berichteten knapp 60 Prozent des Verarbeitenden Gewerbes von Problemen bei der Beschaffung von Rohstoffen oder Vorprodukten, während es im Baubereich nur noch ein gutes Viertel war. Die Betriebsauslastung betrug im Berichtszeitraum gewerkübergreifend 79 Prozent und lag damit 2 Punkte über dem Vorjahresniveau.

Am deutlichsten sichtbar wird die aktuelle Konjunkturabkühlung bei der Auftragslage: Nur noch 14 Prozent vermeldeten im Berichtszeitraum einen verbesserten Auftragseingang. Das ist ein Minus von 4 Punkten gegenüber dem Vorjahresquartal. 37 Prozent verzeichneten weniger Bestellungen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres – ein Plus von 6 Punkten. Im Bauhauptgewerbe berichtete sogar jeder zweite Betrieb von einem Orderrückgang. Dies waren dreimal so viele wie noch vor einem Jahr. Aktuell gleichen die üppigen Auftragspolster der Betriebe die schwächelnde Auftragslage aus: Im Durchschnitt hatten die Handwerksunternehmen zum Jahresende noch Arbeit für die nächsten 9,5 Wochen in ihren Büchern stehen. Das ist weiterhin ein Rekordwert für ein 4. Quartal und entspricht insgesamt dem Vorjahresniveau. Während Bauhaupt- und Ausbauhandwerk ihre Auftragspolster etwas abbauten, konnten die Handwerke für den gewerblichen Bedarf, das Lebensmittelhandwerk und die verbrauchernahen Dienstleister ihre Bestände sogar leicht ausweiten.

Auch wenn der Preisanstieg gegen Jahresende etwas nachließ, ergibt sich für das Gesamtjahr 2022 eine Preissteigerung von durchschnittlich 8,3 Prozent. Für das Handwerk schätzt der BHT den Anstieg der Preise auf etwa 11 Prozent. In den Konjunkturumfragen der bayerischen Handwerkskammern meldeten 72 Prozent der Befragten im 4. Quartal gestiegene Beschaffungskosten. Dieser Wert lag 2 Punkte unter dem des Vorjahres. Die höheren Kosten an die Endkunden weiterzugeben, muss angesichts der schwächelnden Nachfrage aber wohl kalkuliert sein. So erhöhten lediglich 43 Prozent der Befragten im 4. Quartal ihre Absatzpreise. Im Vorjahreszeitraum vollzogen 42 Prozent der Betriebe eine Preisanpassung. Aufgrund der steigenden Preise schossen auch die nominalen Umsätze in die Höhe. Für das Gesamtjahr 2022 geht das bayerische Handwerk von einem Umsatzvolumen in Höhe von 146,1 Milliarden Euro aus. Das ist gegenüber 2021 ein nominales Plus von 10 Prozent. Peteranderl: „Es ist allerdings wahrscheinlich, dass dieser Zuwachs von der hohen Inflation völlig aufgezehrt wurde. Unterm Strich dürfte in 2022 sogar ein reales Umsatzminus von 1,2 Prozent stehen.“

Die Beschäftigungsentwicklung im Handwerk verlief 2022 unbefriedigend. Auch zum Jahresende gelang keine Wende. Nur 10 Prozent der Unternehmen bauten Beschäftigung auf (Vorjahr: 9 Prozent), während 17 Prozent zu einer Reduzierung ihrer Belegschaft gezwungen waren (Vorjahr: 15 Prozent). Hier dürften jedoch auch Saisoneffekte eine Rolle gespielt haben. Nach BHT-Schätzungen waren im Jahresdurchschnitt etwa 952.500 Personen im bayerischen Handwerk tätig. Dies ist ein Rückgang von 0,7 Prozent im Vorjahresvergleich. Die Zahl der Handwerksbetriebe im Freistaat ging 2022 leicht um 0,2 Prozent auf rund 209.000 zurück. Angesichts steigender Preise und wachsender Unsicherheit war zu erwarten, dass viele Betriebe ihre Investitionsvorhaben zurückstellen würden. So sank die Investitionsneigung im 4. Quartal auch um 2 Punkte auf 38 Prozent. In Summe erreichten die Investitionen im bayerischen Handwerk im vergangenen Jahr ein Gesamtvolumen von 4,1 Milliarden Euro. Der Vorjahreswert wurde – vor allem aufgrund der erheblichen Preissteigerung für Investitionsgüter – um 9,4 Prozent übertroffen.

Auch wenn sich die Stimmung in der Wirtschaft zuletzt wieder etwas aufhellte, bilden das schwächelnde Konsumklima, hohe Preise, die allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit und die gestiegenen Finanzierungskosten weiterhin ein äußerst schwieriges Umfeld. Dementsprechend pessimistisch zeigt sich das bayerische Handwerk mit Blick auf die kommenden Monate: Lediglich 6 Prozent der Befragten erwarten für das 1. Quartal 2023 eine Verbesserung ihrer Geschäftslage. Zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres zeigten sich noch 9 Prozent optimistisch. 64 Prozent gehen von einer stabilen (Vorjahr: 70 Prozent) und 30 Prozent von einer Verschlechterung ihrer betrieblichen Situation aus (Vorjahr: 21 Prozent). So gestaltet sich auch die Jahresprognose äußerst schwierig: 2023 ist für das bayerische Handwerk ein nominales Umsatzwachstum von 5 Prozent drin. Ob real etwas davon übrig bleibt, ist allerdings noch nicht absehbar. Die Beschäftigung könnte im Idealfall stabil bleiben.

Beim Härtefallfonds, der kleinen und mittleren Unternehmen in Bayern helfen soll, die Energiekrise zu bewältigen, muss die genaue Ausgestaltung aus Sicht des BHT noch geklärt werden. Unklar ist vor allem, wie die „besondere wirtschaftliche Härte“ festgestellt wird. „Für die wirtschaftliche Schieflage eines Betriebs sind neben den Energiekosten auch der Materialpreisanstieg, hohe Zinsen und unterbrochene Lieferketten verantwortlich. Dass letztlich die steigenden Energiekosten für die wirtschaftliche Schieflage ausschlaggebend sind, dürfte schwierig zu bestimmen sein“, sagt BHT-Präsident Peteranderl und ergänzt: „Bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Härte sollte aus unserer Sicht auch ein angemessener Unternehmerlohn berücksichtigt werden. Außerdem erscheint uns die Bagatellgrenze von 6.000 Euro zu hoch: Sie sollte im Hinblick auf kapitalschwache Gewerbe auf 3.000 Euro abgesenkt werden.“

2022 haben rund 23.500 junge Menschen ihre Ausbildung im bayerischen Handwerk begonnen. „Damit liegen wir knapp unter Vorjahresniveau. Gegenüber dem Jahr 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie, fehlen uns rund 2.000 Neuverträge. Hinzu kommt, dass im vergangenen Jahr ca. 8.000 Lehrstellen unbesetzt blieben. Dies zeigt: Die Nachwuchs- und Fachkräftesicherung ist ein, wenn nicht sogar das Megathema der Zukunft für unseren Wirtschaftsbereich. Betriebe, Handwerksorganisationen und Politik müssen hier gemeinsam anpacken“, erklärt BHT-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Hüpers.

Fachkräfte mit der dualen Berufsausbildung für das Handwerk zu gewinnen, ist dabei der beste Weg. „Damit die begehrten Nachwuchskräfte auch bei unseren Betrieben unterschreiben, müssen wir Schulabgängern und ihren Eltern noch stärker klarmachen: Es gibt viele attraktive Karrierewege außerhalb der Hörsäle. Der berufliche und akademische Bildungsweg sind gleichwertig. Die Arbeit in der Werkstatt ist ebenso wichtig wie im Labor oder am Fließband. Dass die Staatsregierung das genauso sieht, hat sie mit der Ankündigung, künftig die gesamten Kosten für die Meisterfortbildung zu übernehmen, deutlich gemacht.“ Allerdings gelte es, noch besser und überzeugender über die vielfältigen Berufs- und Karriereperspektiven im Handwerk zu informieren, so Hüpers: „Im persönlichen Gespräch, in Schulen und auf Berufsmessen, aber auch verstärkt über die sozialen Medien.“

Bericht: Handwerkskammer München – Foto: Hötzelsperger – Fa. Dettendorfer, Schwabering 

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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