Leitartikel

Wildenwarter Bauerntheater-Erinnerungen  – heuer Absage wegen Corona

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Vor über einhundert Jahren, genauer im Jahre 1919 auf Anregung von Georg Möderl, wurde in Wildenwart erstmals Theater gespielt, die offizielle Gründung einer Theatergesellschaft erfolgte dann fünf Jahre später.  Bis heute sind die Bauerntheater-Aufführungen ein zentraler Bestandteil des örtlichen Trachtenvereins „Die lustigen Wildenwarter“. Einer, der selbst lange Spielleiter war und tragende, oftmals „depperte“ Rollen übernahm, war Robert Gmeiner aus Atzing. Mit ihm tauchten wir in die Wildenwarter Theater-Erinnerungen ein.

 Das regelmäßige Spielen ab dem Jahr 1919 sorgte für erste wichtige Einnahmen nach dem Ersten Weltkrieg, aber auch nach zwölf gelungenen Aufführungen fehlte noch eine richtige Organisation, so dass sich die Spieler entschlossen am 15. Mai 1924 die Theatergesellschaft Wildenwart ins Leben zu rufen. Als Theaterdirektor wurde Matthias Hamm aus Mitterreith gewählt, Vorstand wurde Sepp Gmeiner aus Prutdorf. Der gesamte Verein umfasste 16 Herren und 7 Damen, die Erlöse aus den mehrmals im Jahr gezeigten Aufführungen kam immer wieder der Dorfgemeinschaft zugute, unter anderem für den Bau des Kriegerdenkmals in Prutdorf, für den Bau der 1934 eingeweihten Wildenwarter Pfarrkirche „Christkönig“ oder für brandgeschädigte Nachbarn. Am 15. September 1934 beschloss die Theatergesellschaft ihre Auflösung und sich dem Trachtenverein einzugliedern. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde zweimal im Jahr gespielt, kriegsbedingt gab es eine Pause, aber bereits zu Weihnachten 1945 wurde mit dem Stück „s´Everl vom Waldhof“ der Theaterbetrieb wieder aufgenommen. In den ersten Nachkriegsjahren gab es die Theatererlöse für das Bayerische Rote Kreuz und für das Flüchtlingswerk und 1952 wurde das Stück „Das erste Kreuz am neuen Friedhof“ zugunsten für den neuen Wildenwarter Friedhof  aufgeführt. Von da an wurde regelmäßig zu Ostern und zu Weihnachten ein Stück inszeniert, im Winter meist ein ernstes Wildererstück. Gespielt wurde im Saal der Schlosswirtschaft, erste Spielleiter nach dem Krieg waren Josef Meier aus Vachendorf, Johann Stoib aus Gaishacken und dann Robert Gmeiner.

Die Königliche Hoheit saß in der ersten Reihe

Der erste Auftritt vor Publikum war für den jungen Robert Gmeiner bei einem Altennachmittag, die der damalige Pfarrer Johann Strobl einführte. Gmeiner war Mitglied bei der Wildenwarter Jugend und mit dabei als der aus Bad Endorf stammende Hochzeitslader Alois Rheintaler Ansager beim Altennachmittag war. „Robert, das kannst Du nächstes Jahr auch schon machen, Du musst nur aufpassen, dass die Witze nicht zu grob werden“ – mit diesen Worten überredete der Pfarrer den jungen Robert und dieser war dann Ansager als im nächsten Jahr ein von Hans Stoib einstudiertes Theaterstück unter anderem mit dem Pfarrer und seiner Haushälterin Lena, mit Marille Schenk, mit Lore Urban, mit Erika Breitrainer und mit Käthe Gelder zur Aufführung kam. Robert war noch keine 16 Jahre, da bat Spielleiter Stoib, dass er auch beim Wildenwarter Theater mitmacht. „Der kann sich doch nichts merken – das war die Reaktion der Mutter auf die Anfrage, der Vater hingegen war selbst aktiver Theaterspieler und stimmte zu“ – kann sich Gmeiner merken. Zwei Jahre später mit 18 Jahren ging er zum Verein und seine erste Rolle war mit zwei Dutzend Einsätzen beim Stück „Thomas auf der Himmelsleiter“. Bei den Proben – so die weiteren Erinnerungen – gab es oft und viel Freibier, so dass es auch hinter den Kulissen lustig zuging. 1969, dem Jahr seiner Hochzeit mit seiner Frau Elisabeth übernahm Robert Gmeiner das Amt des Spielleiters für dann ganze 20 Jahre. „Die Wilderer-Stücke waren weit über Wildenwart hinaus bekannt, der Klassiker war das Drama um den Wilderer Jennerwein, als dieses erstmals 1954 gespielt wurde, hatte ich die Rolle des Gastes aus Berlin übernommen. Hans Stoib, der damals auch im Winter von seiner Aschauer Wohnung nach Wildenwart stundenlang zu Fuß unterwegs war, spielte den Jennerwein und Martin Huber war der rücksichtslose Pföderl“ – so Robert Gmeiner, der sich noch erinnert, dass dem Pföderl-Darsteller für seine „dreckige“ Rolle einmal in der Wirtsstube von aufgebrachten Besuchern Schläge angedroht wurden.   Viele Mitspieler aus Wildenwart und den Nachbarortschaften sorgten unter der Regie von Robert Gmeiner  für Kurzweil bei den Besuchern, bei den Premieren-Vorstellungen waren viele Jahre als Ehrengäste in der ersten Reihe: Prinzessin Helmtrud von Bayern vom   Schloss Wildenwart (sie wurde im Ort als Königliche Hoheit hoch geschätzt), Pfarrer Johann Strobl, Erster Bürgermeister Hans Steindlmüller sowie die im nahen Hittenkirchen wohnende Charakter-Darstellerin Elisabeth Flickenschild, die mehrmals nach den Aufführungen mit Dankes- und Kritik-Briefen die Wildenwarter Theatergemeinschaft lobte. Damit die Aufführungen immer wieder so gut klappten, waren der Zusammenhalt untereinander und das Entgegenkommen des Wirtes wichtig. Nach der Zeit von Robert Gmeiner übernahmen bis heute Evi Prankl, Richard Zettl, Helga Freund und seit nunmehr zehn Jahren Sylvia Riepertinger das Amt des Spielleiters bzw. der Spielleiterin.

Anekdoten mit Milchsuppe und Bayer. Fernsehen

An eine Anekdote erinnert sich Robert Gmeiner noch besonders gern als Peter Stoib senior mit ihm eine zu heiße Milchsuppe mit Brot essen sollten. „Ich verbrannte mir das Maul, Hans Schenk schlug aus dem Publikum vor, dass es gescheiter wäre ein Bier zu trinken und die Mitspielerin Nanni bekam einen Lachkrampf, was sich auf das gesamte Publikum übertrug“. Ein weiteres spannendes Ereignis war 1987 als Werner A. Widmann für das Bayerische Fernsehen in der Reihe „Zwischen Spessart und Karwendel“ zu Aufnahmen nach Wildenwart kam. Als beim Wildererstückl  „Der Gankerl von Berchtesgaden“ einige der Wildenwarter recht aufgeregt waren, sagte Widmann: „Denkt Euch nix und denkt Euch die Kamera weg, Gustl Bayrhammer und Ludwig Schmid-Wildy haben auch nie gelernt und mussten oft neu anfangen“.

Seit 1995 wird in Wildenwart nur noch an Weihnachten oder im Herbst gespielt, von 2001 bis 2004 fielen die Aufführungen mangels Spielleiter aus, aber seither spielten die Wildenwarter stets vor ausverkauftem Schlosswirtschafts-Saal – doch die für heuer geplanten Termine sind bereits jetzt wegen der Corona-Krise vom Trachtenverein „Die lustigen Wildenwarter“ abgesagt worden.

Foto/s: Berger/Rehberg/Hötzelsperger – Erinnerungen an Wildenwarter Bauerntheater-Zeiten.

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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