Leitartikel

Vom Brauch des Frauentragens im Advent

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Frauentragen im Advent – Ein sinnstiftender Brauch für die Wochen vor Weihnachten – von Siegi Götze aus Marquartstein

Dieser im bayerisch-österreichischen Alpenraum um 1910 erstmals schriftlich festgehaltene und auch im Chiemgau nicht unbekannte Brauch wurde und wird meist durch junge, aktive Mitglieder einer Pfarrgemeinde oder der Landjugend ausgeübt,.Man geht ab dem 1. Advent mit einer Statue oder einem Bild der „hoffenden Mutter Gottes“ durchs Dorf um bei daran interessierten Einzelpersonen oder Familienhaushalten „Station“ zu machen für einen gemeinsam gestalteten Abend. Mit den jeweiligen Gastgebern zusammen wurden in aller Regel dann adventliche Lieder gesungen, man betete miteinander und man unterhielt sich über die Dinge des Lebens .In einer Zeit wie der jetzigen, in der immer mehr Menschen drauf und dran sind, zu vereinzeln und zu vereinsamen, wo Gemeinschaft weithin klein geschrieben wird und immer mehr Menschen auf der Suche nach einer Bleibe Zuwendung und Zuspruch brauchen ,soll das „Frauentragen“ daran erinnern, dass auch Maria laut biblischen Berichten in den Tagen und Wochen vor der Geburt Christi unterwegs war, zunächst zu ihrer Base Elisabeth und schließlich nach Bethlehem um dort Herberge zu nehmen. Hier und in unseren „unseligen Coronazeiten zeigt sich, wie wichtig menschliche Nähe, Zuspruch und Gemeinsamkeit besonders in schweren Zeiten wären. In den vergangenen Jahrzehnten wurde mancherorts auch ein Bild von Maria und Josef auf der „Herbergssuche“ von Haus zu Haus getragen. In Grassau stellte der Ortspfarrer unlängst eine Skulptur der „hoffenden“ Maria für das „Frauentragen“ zur Verfügung um Menschen, die sich in der Adventszeit einen lieben Besuch wünschen, eine Freude zu machen. Nachdem die Brauchausübenden das besuchte Haus verlassen haben verbleibt die Marienstatue die ganze Nacht und den folgenden Tag über bei den Gastgebern und wird am Abend des darauf folgenden Tages von den Personen die sich zum „Frauentragen“ zur Verfügung gestellt haben wieder abgeholt wobei die neuen Gastgeber hier schon als aktive Teilnehmer dabei sein könnten.So wächst nach und nach eine schöne Gemeinschaft heran, die „Maria“ auf ihrem Weg durch den Advent begleitet. Am Abend des 23..Dezember kehrt die Statue wieder in den Pfarrhof zurück wo sie traditionsgemäß die Nacht auf den Hl.Abend und natürlich auch die Zeit bis zum nächsten „Frauentragen“ im Folgejahr verbringt.

Aus früheren Zeiten berichtete die Traunsteiner Volkskundlerin Franziska Hager in ihren Aufzeichnungen , dass der „Brauch“ des „Herberggehens“ oder „Frauentragens“ im Chiemgau überall bekannt war. Dabei beschrieb sie den Ablauf des Geschehens sehr anschaulich und gab auch an, welche Lieder im Hause der „Herbergseltern auf Zeit“ gesungen wurden. Gleiches ist bei Paul Ernst Rattelmüller in dessen Buch „Bairisches Brauchtum im Jahreslauf“ zu finden mit dem Hinweis, dass das „Frauentragen“so um 1985 wieder große Verbreitung gefunden habe. Rattelmüller war jahrzehntelang Heimatpfleger des Bezirks Oberbayern und als solcher intensiv mit dem gelebten Brauchtum befasst. Für den engeren Einzugsbereich kann und darf man sich auf die Ausführungen des ehemaligen Pfarrers Heichele aus Kienberg stützen, der im Heimatbuch des Landkreises Traunstein unter der Rubrik“Kirchliches Brauchtum“ das „Frauentragen“ ausdrücklich erwähnt mit dem Hinweis, dass es vorwiegend die Landjugend sei, die sich diesem schönen Brauch in der Adventszeit widmete. Für den angrenzenden Landkreis Berchtesgadener Land wird man im Buch „Sitt und Brauch im Berchtesgadener Land“ fündig in dem sowohl ein „Aussenden“ der „Frauentrager“ am Samstag vor dem 1. Advent im Rahmen einer kleinen kirchlichen Feierstunde erwähnt ist wie auch eine Art Choreografie des ganzen Geschehens mitsamt Texten. Übrigens – die Teilnahme am „Frauentragen“ war und ist selbstverständlich nicht von einer bestimmten konfessionellen Zugehörigkeit abhängig. Möge dieser sinnstiftende Adventsbrauch die an menschlichen Begegnungen so arm gewordenen „Coronazeiten“ überdauern und anschließend in gewohnter Weise wieder stattfinden.

Bericht: Siegi Götze

Foto: Rainer Nitzsche –  “Schwangere Maria” vom Samerberg

Foto: Hötzelsperger – Frauentragen-Andacht in der Pfarrei “Christkönig” von Wildenwart

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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