Natur & Umwelt

VIVA FAMILIA! – VERSTÄRKUNG FÜR WALLY UND BAVARIA KOMMT AUS SPANIEN

Veröffentlicht von Günther Freund

Der bayerische Naturschutzverband LBV und der Nationalpark Berchtesgaden werden Anfang Juni erneut zwei in Andalusien geschlüpfte Bartgeier auswildern. Dem gemeinsamen Projekt wurden auch im zweiten Jahr wieder zwei spanische Jungvögel aus dem europäischen Bartgeier-Zuchtnetzwerk der Vulture Conservation Foundation (VCF) zugeteilt.

LBV und Nationalpark können dabei auf viele Erfahrungen der ersten Geiersaison zurückgreifen, um auch den nächsten Vögeln einen optimalen Start in ihren zukünftigen Lebensraum in den Ostalpen zu ermöglichen. „Nachdem wir 2021 über 100 Jahre nach ihrer Ausrottung erstmals wieder Bartgeier in Deutschland ausgewildert haben, wird unser spektakuläres Artenschutzprojekt auch dieses Jahr durch zwei weitere spanische Jungvögel fortgesetzt“, freut sich LBV-Projektleiter und Bartgeierexperte Toni Wegscheider.

Die beiden ersten in Deutschland ausgewilderten Bartgeier bekommen dabei Familienverstärkung. „Wir freuen uns darüber, dass uns nach Wally und Bavaria nun erneut zwei junge Bartgeier aus dem spanischen Zuchtzentrum Guadelentín in Andalusien zugewiesen wurden“, so Nationalparkdirektor Dr. Roland Baier. Es ist die bedeutendste Zuchtstation des Zuchtprogramms EEP in ganz Europa und dieses Jahr sind dort sieben Bartgeierküken erfolgreich geschlüpft. „Genauso gut hätten unsere Jungvögel dieses Jahr natürlich auch aus einem der 40 anderen europäischen Zoos und Zuchtzentren für Bartgeier wie etwa Wien, dem Schweizerischen Goldau oder dem Tiergarten Nürnberg stammen können“, ergänzt Roland Baier.

Das Geschlecht der beiden Bartgeierküken ist derzeit noch unbekannt und wird erst in einigen Wochen nach einer Genprobe feststehen, da es bei dieser Vogelart keine äußerlichen Merkmale gibt, durch die Männchen und Weibchen zweifelsfrei unterschieden werden können. Einige Details zur Verwandtschaft von Wally und Bavaria sind Dank der Zuchtpaare jedoch bereits jetzt bekannt: „Wir werden den kleinen Bruder oder die kleine Schwester von Wally, sowie einen Cousin oder eine Cousine von Bavaria erhalten. Auf die künftige Paarbildung und damit die Genetik der Tiere wird dies keinen negativen Einfluss haben, da sich die künftigen Paare aus Bartgeiern des gesamten Alpenraums zusammenfinden werden“, berichtet LBV-Experte Toni Wegscheider.

Noch heißen die beiden jungen Bartgeier lediglich nach ihren Zuchtnummern „BG1145“ und „BG1147“. „BG1145“ ist am 6. März geschlüpft und „BG1147“ ist das Küken der Bartgeiereltern Elías und Viola und hat am 9. März ebenfalls auf 1.300 Meter Höhe in Andalusien das Licht der Welt erblickt. Über das diesjährige Verfahren der Namensvergabe und eine mögliche Beteiligung der Öffentlichkeit werden LBV und Nationalpark in den kommenden Wochen informieren.

Auch der Tiergarten Nürnberg bleibt trotz des dort erneut ausbleibenden Bruterfolgs weiterhin ein wichtiger Projektpartner bei der Rückkehr des Bartgeiers nach Deutschland. „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir erneut zwei junge spanische Bartgeier Anfang Juni für ein paar Tage in unserer Quarantäne aufnehmen und versorgen können, bevor sie zur Auswilderung in den Nationalpark Berchtesgaden gebracht werden”, berichtet Jörg Beckmann, stellvertretender Direktor und Biologischer Leiter des Tiergartens Nürnberg.

Mögliche Begegnungen mit Wally und Bavaria

Dass Wally und Bavaria bei einer möglichen Begegnung mit ihren Verwandten im Luftraum über dem Nationalpark diesen Sommer entspannt reagieren werden, ist aus langjährigen Verhaltensstudien bekannt. „Man könnte fast annehmen, dass besonders Bavaria sich auf ein bevorstehendes Familientreffen freut, immerhin ist sie genau jetzt zum ersten Mal seit Monaten wieder von ihren Erkundungsflügen in die Steiermark zurück an die Nationalparkgrenze gekommen, ganz in die Nähe der dort weitgehend sesshaften Wally“, schmunzelt LBV-Experte Toni Wegscheider. Die Flugrouten der beiden Bartgeier können im Internet jederzeit mitverfolgt werden.

In wenigen Monaten werden also zwei weitere Bartgeier den geringen Bestand dieser seltenen und faszinierenden Vogelart in den Ostalpen stützen. Im gemeinsamen Projekt von LBV und Nationalpark Berchtesgaden sollen bis etwa 2030 jährlich zwei bis drei Küken ausgewildert werden. „Dass wir bereits ein erfolgreiches erstes Projektjahr hinter uns haben und weiterhin auf die Erfahrungen von Experten aus der Schweiz und aus Österreich zurückgreifen können, schafft bei allen Beteiligten eine ebenso große Vorfreude wie bei der Premiere 2021“, so Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.

Hintergrund

Das europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk wird von der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Sitz in Zürich geleitet. Die internationale Stiftung koordiniert die europaweiten Zuchtstationen und legt die Vergabe der Jungvögel auf die Auswilderungsorte seit 2013 fest. Mehr als 40 spezialisierte Zoos und Zuchtstationen haben sich zu einem internationalen Netzwerk (EEP) zusammengeschlossen. Von Berlin über Wien bis Novosibirsk und Helsinki werden Bartgeier von erfahrenen Pflegern und anderen Spezialisten gezüchtet. Der Bartgeierbestand im Erhaltungszuchtprogramm liegt derzeit bei etwa 180 Vögeln unter denen rund 40 Paare 2021 erfolgreich gebrütet haben.

Zum Projekt:

Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) der Zoos junge Bartgeier ausgewildert. Das europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk wird von der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Sitz in Zürich geleitet. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran. Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogelschutz) und dem Nationalpark Berchtesgaden initiiertes und betreutes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der deutschen Alpen greift dies auf und unterstützt in Kooperation mit dem Tiergarten Nürnberg die alpenweite Wiederansiedelung. Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen. Mehr Informationen zum Projekt unter www.lbv.de/bartgeier-auswilderung.


Gemeinsame Presseinformation des Nationalparks Berchtesgaden und des Landesbund für Vogelschutz

Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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