Natur & Umwelt

Viva España! – Zwei spanische Bartgeier für Bayern

Veröffentlicht von Günther Freund

Bayerischer Naturschutzverband und Nationalpark Berchtesgaden werden Anfang Juni zwei Mitte März in Andalusien geschlüpfte Jungvögel auswildern

Über 100 Jahre nach seiner Ausrottung ist der Weg für die Rückkehr des Bartgeiers nach Deutschland endgültig frei. Dem bayerischen Naturschutzverband LBV wurden für sein Auswilderungsprojekt mit dem Nationalpark Berchtesgaden nun zwei spanische Jungvögel aus dem europäischen Bartgeier-Zuchtnetzwerk von der Vulture Conservation Foundation (VCF) für Anfang Juni zugeteilt. „Die ersten beiden ‚deutschen‘ Bartgeier, die ab dem Sommer ihre Kreise um den Watzmann ziehen werden, stammen aus dem spanischen Zuchtzentrum Guadelentín in Andalusien. Es ist das Bedeutendste in ganz Europa und dieses Jahr sind dort sogar zehn Bartgeierküken erfolgreich geschlüpft, ein neuer Rekord“, erklärt LBV-Projektleiter und Bartgeierexperte Toni Wegscheider. Die Erleichterung und Freude bei den bayerischen Naturschützer*innen, dass das mehrjährige Auswilderungsprojekt zusammen mit dem Nationalpark Berchtesgaden nun auch tatsächlich wie geplant starten kann, ist groß. „Nachdem beim Zuchtpaar im Nürnberger Tiergarten dieses Jahr kein Jungvogel schlüpfte und der gesamte Bruterfolg im Zuchtprogramm 2021 nur mäßig ausfiel, war das in den letzten Wochen schon eine kleine Gefühls-Achterbahn für uns“, so Toni Wegscheider.

Bevor die beiden jungen Bartgeier zur Auswilderung ihre Namen erhalten, haben sie als „BG1112“ und „BG1113“ Mitte März im spanischen Zuchtzentrum Guadelentín, das in 1.300 Meter Höhe auf einer Bergkette in Andalusien liegt, das Licht der Welt erblickt (siehe Fotos). „BG1112“ war das zweite Küken der Bartgeiereltern Borosa und Toba. Ihm musste beim Schlupf am 11. März aus dem Ei geholfen werden, da es damals nur 121 Gramm wog. „BG1113“ ist das Küken der Bartgeiereltern Elías und Viola und wog, als es am 14. März selbständig schlüpfte, 159,1 Gramm. „Trotz schwieriger Umstände im Zuchtprogramm freuen wir uns, dieses Jahr zwei Bartgeier für die Auswilderung in Berchtesgaden zur Verfügung stellen zu können“, so Dr. Alex Llopis Dell, Leiter und Koordinator des Bartgeier-Zuchtprogramms. Die äußerlich nicht erkennbaren Geschlechter der beiden Vögel werden erst kurz vor der Auswilderung durch eine Blutuntersuchung ermittelt.

Durch die Bruten der Bartgeier im Tiergarten Nürnberg und etwa 40 weiterer Paare im europäischen Zuchtnetzwerk kooperierender Zoos und Zuchtstationen, war die Hoffnung der bayerischen Naturschützer*innen groß, dass 2021 genügend Küken für die Pläne der deutschen Wiederansiedlung das Licht der Welt erblicken würden. Doch dann reihte sich seit Anfang März ein kleiner Rückschlag an den anderen: Erst zerbricht eines der Nürnberger Eier im Nest, dann bleibt auch das zweite Ei ohne Schlupferfolg und zu guter Letzt fiel auch bei den meisten anderen Zuchteinrichtungen der Bruterfolg in diesem Jahr nur mäßig aus. „Da es europaweit mehrere etablierte Auswilderungsgebiete gibt und eine gewisse Zahl von Küken selbstverständlich für den Fortbestand des Zuchtprogramms in verschiedenen Stationen benötigt wird, war uns seit Mitte März bewusst, dass dieses Jahr möglicherweise doch nicht genügend Jungvögel für Berchtesgaden als neuester Anwärter übrigbleiben könnten. Nun freuen wir uns umso mehr“, betont der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer.

Doch mit der nun erfolgten Zusage der beiden spanischen Jungvögel werden alle Beteiligten die nächsten Wochen intensiv für die letzten Vorbereitungen nutzen, um den dann drei Monate alten Geiern Anfang Juni einen bestmöglichen Start für ein Leben in den Ostalpen bieten zu können. So ist auch die Freude im Nationalpark Berchtesgaden groß. „Es ist schön, nun die Gewissheit zu haben, dass wir im Juni tatsächlich zwei junge Bartgeier in der vorbereiteten Felsnische im Klausbachtal auswildern werden“, sagt Nationalparkdirektor Dr. Roland Baier. Die Vorbereitungen in Berchtesgaden laufen trotz der zwischenzeitlichen Unsicherheiten schon länger auf Hochtouren. „Naturschutzfachliche Vorprüfungen, der Bau einer stabilen Beobachtungshütte, das Vorbereiten des Geierfutters, die Einarbeitung der Projektpraktikanten und das Einholen der vielen mit der Auswilderung verbundenen Genehmigungen, die Liste der Vorbereitungen für die Auswilderung ist lang“, so Baier weiter.

Auch der Tiergarten Nürnberg bleibt trotz des dort heuer ausbleibenden Bruterfolgs weiterhin ein wichtiger Projektpartner bei der Rückkehr des Bartgeiers nach Deutschland. „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir als Tiergarten Nürnberg die zwei jungen spanischen Bartgeier Anfang Juni für ein paar Tage in unserer Quarantäne aufnehmen und aneinander gewöhnen können, bevor sie zur Auswilderung in den Nationalpark Berchtesgaden gebracht werden“, berichtet Jörg Beckmann, stellvertretender Direktor und Biologischer Leiter des Tiergartens Nürnberg.

Insgesamt bleibt das bayerische Projekt nun auch bei seinem bisherigen ambitionierten Verlauf. „Nach Präsentation einer aufwändigen Machbarkeitsstudie 2019, dem Sicherstellen der Finanzierung und Erfüllung vieler amtlicher Auflagen 2020 folgt jetzt die erste Auswilderung 2021 – das dürfte Rekordtempo für ein so aufwändiges Artenschutzprojekt sein“, erklärt LBV-Experte Toni Wegscheider. Die Rückkehr des Bartgeiers nach Deutschland profitiert dabei auch von der intensiven internationalen Zusammenarbeit und den vielen Erfahrungen aus den anderen europäischen Wiederansiedlungsgebieten in den letzten Jahren. So kann der LBV bei den weiteren Vorbereitungen für die anstehende Auswilderung eine bewährte Vorgehensweise an die Verhältnisse im Nationalpark anpassen, die schon für hunderte junge Bartgeier in den letzten Jahrzehnten angewendet wurde.

Hintergrund:

Das europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk wird von der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Sitz in Zürich geleitet. Die internationale Stiftung koordiniert die europaweiten Zuchtstationen und legt die Vergabe der Jungvögel auf die Auswilderungsorte seit 2013 fest. Mehr als 40 spezialisierte Zoos und Zuchtstationen haben sich zu einem internationalen Netzwerk (EEP) zusammengeschlossen. Von Berlin über Wien bis Novosibirsk und Helsinki werden Bartgeier von erfahrenen Pflegern und anderen Spezialisten gezüchtet. Der Bartgeierbestand im Erhaltungszuchtprogramm liegt derzeit bei etwa 180 Vögeln unter denen rund 40 Paare 2021 erfolgreich gebrütet haben.

Über 100 Jahre nach seiner Ausrottung soll dem größten Greifvogel Mitteleuropas die Rückkehr nach Deutschland ermöglicht werden. Der bayerische Naturschutzverband LBV möchte die Erfolgsgeschichte der Wiederansiedelung des majestätischen Vogels in Westeuropa in den kommenden Jahren auch im östlichen Alpenraum fortschreiben.

Zum Projekt:

Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP der Zoos im Alpenraum junge Bartgeier ausgewildert. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran. Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogelschutz) initiiertes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der Alpen greift dies auf und unterstützt in Kooperation mit dem EEP und dem Nationalpark Berchtesgaden die alpenweite Wiederansiedelung. Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen.

Mehr Informationen zum Projekt unter www.lbv.de/bartgeier-auswilderung

Pressemitteilung Nationalparkverwaltung Berchtesgaden

Foto: Henning Werth

Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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