Leitartikel

Triumphales Wössner Seeräuberspiel

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Ein Fest, dessen Idee seit Jahrhunderten aufgeht, beweist sich auch 2020. Seeräuber und Chinesen, dazu über 10.000 Zuschauer von nah und fern feierten bei prachtvollem Wetter das traditionelle Wössner Seeräuberspiel mit Triumphzug und Festabend.

Ab Samstagmittag verstärkte sich ein ständiger Strom an Zuschauern in das Ortszentrum Unterwössens. Ziel war die Hauptstraße vor allem in Höhe des Alten Bades. Helfer zäumten dort die schweren Zugpferde und sattelten die Reitpferde. Rundherum Leute in aufwändigen historischen Gewändern, historische Bauersleute mit ihren Kindern und fahrendes Zigeunervolk. Stände überall an der Hauptstraße sorgten für das leibliche Wohl der überwiegend verkleideten Zuschauer, die zuletzt dicht gedrängt auf den Bürgersteigen entlang der Hauptstraße standen. Um 14.14 Uhr schnalzten beim Aperschnalzen an der oberen Hauptstraße die Passen ihre Goaßln, dicht umlagert von den Zuschauern am Straßenrand. Ein Triumphzug setzt sich in Bewegung. Immer mehr Gruppen aus den Seitenwegen schließen sich an und ein prachtvoller Zug entsteht.

Die Historie

Wer das Historien- und Brauchtumsfest verstehen will, muss in die Geschichte blicken. Seit Jahrhunderten feiert das Achental seinen Sieg um das Jahr 900. Geleitet von den Herren der Burgen Rettenburg, Oberwössen, Streichen, Schleching, Hohenstein, Marquartstein, und Velse, Niedernfels, schlossen sich die Menschen zusammen und rückten gegen marodierende ungarische Reiterhorden aus. Nach einem grandiosen Sieg kamen sie mit erbeutetem Schiff und zahlreichen Gefangenen zurück ins Tal. Alle zehn Jahre erlaubte ihnen zum Dank ein fürstliches Edikt ein großes Fest zur Feier dieses Sieges, das heute die Menschen alle Jahre im Seeräuberspiel feiern.

Der Festzug

Nach den Tafelbuam kündigt die Vorreiterin den Gaugrafen Sizo, Otto Stumbeck, an. Der Sighartinger auf der Baumburg führte vor 1100 Jahren die Männer mit den Achentalern gegen die Ungarn und schlug sie in der Feldwies. Wunderbar gewandete Mohren begleiten ihn. Es folgen die Ritter von Rettenburg, Streichen, Hohenstein und Velse. Erster Höhepunkt im Umzug ist das Seeräuberschiff mit der Seeräuberbraut Theresa König und den tapferen Siegern über die Ungarn. Farbenfrohe Uniformen mit Rosshaar auf Spitzhüten prägen das Bild. Aus den Ungarn mit leicht mongolischem Einschlag machte der Volksmund die Chinesen, überwiegend in Gelb und mit knallroten Schuhen sind sie leicht zu erkennen. Ein Mandarin, Andreas Bär, im prächtigen Mantel ist ihr Anführer. Fahnenschwinger, Trommler, Burgfräulein, Feuerspeier, Gaukler stehen für das Rettenburger Burgvolk. Während dieser erste Teil des Zuges den Sieg feiert, treibt der zweite Teil nach altem Brauch den Winter aus. Geführt von Impresario Hans-Michael Heser folgen Marketenderinnen, der Kasperl und Burgnarr. Den wilden Mann, der den Winter darstellt und der traditionell am Faschingsdienstag beerdigt wird, hielten zwei Männer nur mit Mühe im Zaum. Für das Hujerer Treiben das zu Beginn des Winters von der Martinikapelle über Gruppenarten nach Oberwössen führt, stehen junge Burschen mit ihren Tuschglocken. Die Perchten mit ihren Fratzen vertreiben die bösen Geister und den Winter. Stelzengänger, Zigeuner, Gaukler schlossen sich dem Zug an, der an der Pfarrkirche über die Alte Dorfstraße wendete, und die Hauptstraße hinauf bis zum Musikpavillon am Kurpark führte. Die Musikkapellen Wössen und Schleching führten die Züge an, Musikanten der Musikkapelle Marquartstein bildeten den Schluss. 500 Mitwirkende waren im Zug unterwegs.

Die historischen Tänze

Am Musikpavillon begrüßte der Vorstand des Seeräubervereins Michael Frank und Ausschussmitglied Stefanie Dewitz die Ehrengäste. Der ehemalige Landrat Jakob Strobl, Bürgermeister der Nachbargemeinden, die Pfarrer Martin Strasser und sein Vorgänger Klaus Wernberger. Die beiden Moderatoren stellten die Gruppen im Zug vor. Die tanzten auf der vergrößerten Bühne des Musikpavillons die historischen Tänze. Es begannen die Bauern. Der Bogentanz der Wössner Seeräuber ist an die Schäfflertänze angelehnt. Besonders beklatschte das dicht gedrängte Publikum den Chinesentanz, der einerseits die symbolische Fesselung, andererseits eine stolze trotzige Haltung ausdrückt. Der Tanz der Zigeunerinnen stimmte auf den Höhepunkt ein: den Schwerttanz der Seeräuber. An dessen Ende heben die Seeräuber den Reifenschwinger auf einem Schwertpodest in die Höhe. Monatelange Übungen liegen hinter Christian Härtl, Reifenschwinger im Fachverein der Münchner Schäffler. Die Kunst ist, in den wild wirbelnden Reifen den darinstehenden Schnaps nicht zu verschütten. Sein Prost auf das Fest und das Seeräuberfest am 1. März 2025 bildete den Schlusspunkt der Tanzvorführungen.

Der Festabend

Von nun an verlagerte sich das Fest in die Achentalhalle und an die Front des Alten Bades, wo aus Zelten laute Rockmusik erschallte. In der Achentalhalle spielten die Musikkapellen Wössen mit Dirigent Martin Nieß und Schleching mit Walter Reisenauer mitreißend auf. Stimmungsmusik mit eigenem Gesang trieb die Gäste auf die Tanzfläche. Hinein in die Nacht übernahm später die Formation ZündUp und hielt die Stimmung bis weit nach Mitternacht auf einem mitreißenden Niveau.

Stimmen zum Tag

Die Festgäste zeigte sich im Gespräch mit unserer Zeitung begeistert. Gerade Feriengäste sahen sich verzaubert aus dieser Mischung von Historie, Brauchtum und Stimmung. Sie begeisterte wie sich das Dorf und das Achental hinter das Fest stellt. Die Standbetreiber, seien es Unterwössner Wirte oder Vereine wie Burschenverein, Dirndlschaft und Alte Herren im Fußballverein freuten sich über beste Umsätze. Caterer Alfred Mitterer in der der Achentalhalle lobte das Alte Bad mit seinen Möglichkeiten. „Ich komme gern nach Unterwössen.“ Und Walter Reisenauer von der Musikkapelle Schleching freute sich noch auf der Bühne über ein großartiges Fest und die Achentalhalle. „Wir kommen gerne wieder.“ Sicherlich wird das noch vor dem 1. März 2025 sein, dem Datum des nächsten Seeräuberspiels.

Text und Fotos: Ludwig Flug

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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