Natur & Umwelt

Trauer um Hubert Weinzierl, BN

Mit Hubert Weinzierl verliert Deutschland eine herausragende Persönlichkeit des Umwelt- und Naturschutzes. In diesem Nachruf würdigt Prof. Dr. Holger Magel nicht nur das Wirken eines streitbaren Visionärs, sondern erinnert auch an gemeinsame Etappen und Impulse für eine neue Partnerschaft zwischen Naturschutz, Flurbereinigung und der Akademie für den Ländlichen Raum.

Lange war es still geworden um Hubert Weinzierl – erblindet, nach einigen Enttäuschungen auch mit dem eigenen Verband weitgehend zurückgezogen lebend. Nun ist er im 90. Lebensjahr verstorben. Die Medien würdigen ihn mit zahlreichen Nachrufen – einhellig wird betont: Mit Hubert Weinzierl ist ein ganz Großer gegangen. Er war der erste öffentlich sehr präsente und streitbare Naturschützer in Verbandsfunktionen, Träger unzähliger Ämter und Verdienste.

Verweise auf umfassende Nachrufe finden sich u. a. in der Süddeutschen Zeitung, beim Bund Naturschutz Bayern (BN), dem BUND, dem Deutschen Naturschutzring (DNR) sowie dem Rat für Nachhaltige Entwicklung.

Dieser Nachruf beleuchtet seine Beziehung zur Akademie, zur Flurbereinigung bzw. Ländlichen Entwicklung und zum Autor – Aspekte, die vielen der heutigen Generation nicht mehr gegenwärtig sein dürften.

Ein Leben für Natur und Gesellschaft

Hubert Weinzierl entstammte einer großbürgerlichen Unternehmerfamilie in Ingolstadt. Schon früh entwickelte er – wie auch Horst Seehofer oder der Autor dieses Nachrufs – eine tiefe Liebe zur Donau, ihren Auwäldern und Sümpfen. Nach dem Studium der Forstwirtschaft arbeitete er zunächst im väterlichen Betrieb und wurde dann ehrenamtlicher Regierungsbeauftragter für Naturschutz bei der Regierung von Niederbayern.

In dieser Funktion trat er 1972 bei einem Flurbereinigungsverfahren nahe Landshut in Erscheinung und stellte dem Verfahrensleiter – zugleich Vorsitzender der TG – kritische Fragen. Dieser war Holger Magel. Noch konfrontativer wurde es, als Weinzierls Nachfolger Helmut Steininger, ein eher ruppiger Charakter, seine Position antrat. Seine Haltung erschwerte eine Verständigung mit der Flurbereinigung erheblich – selbst bei internen Dienstbesprechungen, bei denen bereits ein versöhnlicherer Kurs verfolgt wurde.

Dialog mit der Politik – und ein Nationalpark entsteht

Später begegneten sich Magel und Weinzierl erneut im Landwirtschaftsministerium, wo Magel für Landschaftsfragen zuständig war. Weinzierl war im Haus bestens bekannt, hatte direkten Zugang zum Minister. Das freundschaftliche Verhältnis der Familien Weinzierl und Eisenmann trug dazu bei, dass es zwischen dem Minister und dem ansonsten streitbaren Naturschützer nie zu ernsthaften Konflikten kam. Im Gegenteil: Gemeinsam mit Persönlichkeiten wie Hans Bibelriether, Horst Stern, Konrad Lorenz und Wolfgang Haber schufen sie den Nationalpark Bayerischer Wald – ein Meilenstein.

Impulse für eine neue Flurbereinigung

Weinzierl verfolgte aufmerksam den Wandel der Flurbereinigung hin zu einer landschaftsverträglicheren “Flurbereicherung” und wies seine Mitarbeitenden, darunter Landesbeauftragter Hubert Weiger, an, diesen Kurs aktiv zu begleiten – gemeinsam mit den Kreis- und Ortsgruppen des BN. Nicht immer gelang das konfliktfrei, wie der Fall im Forchheimer Kirschanbaugebiet zeigte. Dort trat die BN-Kreisgruppe mit berechtigter Kritik der Bamberger Flurbereinigungsdirektion entschieden entgegen. Insgesamt jedoch verbesserten sich die Beziehungen – auch dank Persönlichkeiten wie Wolfgang Haber, Landschaftsplaner Reinhard Grebe und Weinzierls kluger und charismatischer Frau Beate. Die studierte Theologin war ihm über vier Jahrzehnte kongeniale Partnerin und souveräne Leiterin des gemeinsamen Bildungszentrums Wiesenfelden.

Ein visionäres Modell – und eine große Enttäuschung

Höhepunkt dieser Zusammenarbeit war das auf Initiative Weinzierls geplante Modellprojekt „Flurplanung Höhenberg“ in Wiesenfelden. Unter Beratung durch „Ökologiepapst“ Wolfgang Haber und gestaltet von Weinzierls Bruder, dem Landschaftsarchitekten Wolfgang Weinzierl, entstand ein parzellenscharfes Konzept differenzierter Landnutzung – inklusive betriebswirtschaftlich berechneter Entschädigungen für die Grundeigentümer.

Das Projekt war seiner Zeit weit voraus. Doch kurz vor der politischen Umsetzung zog der niederbayerische Bauernverband seine Zustimmung zurück. Trotz bereitstehender Mittel wurde das Projekt blockiert – eine tiefe Enttäuschung für Hubert Weinzierl und Holger Magel.

Ein Wegbereiter für Dialog und Akademiearbeit

Die Zusammenarbeit in Höhenberg schweißte Weinzierl und Magel zusammen. Weinzierl wurde Mitglied der Akademie und trat bei der „Trotztagung“ 1993 in Gunzenhausen mit seinem eindrucksvollen Vortrag „Naturschutz in der Sackgasse? Mehr Mut zu Emotionen!“ auf. Emotional war er stets – ein sensibler, nach innen gewandter Mensch mit einer poetischen Ader, dessen lyrische Gedichte Kultstatus hatten.

15 Jahre später erinnerte Magel in der Festschrift „Für das Land. 20 Jahre Bayerische Akademie Ländlicher Raum“ an diese Rede und fragte: „1993 forderten Sie dazu auf, den Mantel der Gleichgültigkeit gegenüber Natur und Heimat zu zerreißen. Haben Sie das Gefühl, dass Ihrem Aufruf genügend gefolgt wurde?“ Weinzierls Antwort: „Leider nein. Vielleicht muss der Leidensdruck noch größer werden. Aber ich bleibe ein pathologischer Optimist.“

Ein Optimist mit Tiefgang

Zu diesem Optimismus gehörte auch sein Beitrag in der Festschrift zum 60. Geburtstag von Holger Magel. Unter dem Titel „Nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land“ schrieb Weinzierl: „Nachhaltigkeit muss Kult werden, muss Spaß machen.“

Und er erlaubte einen Blick in sein Innerstes: „Globalisierung und Aktiengewinne allein als scheinbare Visionen von Glück und Zukunftsfähigkeit haben uns in die Enge getrieben. Immer lauter wird die Frage, ob zum Menschsein nicht doch noch etwas anderes gehört: das Verlangen nach einer kulturellen Dimension, die Sehnsucht nach Mystischem und die Suche nach verschütteten ethischen Resten…“

Ein großes Erbe

Hubert Weinzierl war ein tief fühlender, der Generationengerechtigkeit verpflichteter Visionär, der sich dennoch im komplexen Gefüge von Politik und Verwaltung behauptete. Er hinterließ Spuren – sichtbare wie geistige –, an denen sich seine Nachfolger messen lassen mussten. Die Akademie verneigt sich vor seinem Lebenswerk. Für seine wertvolle Unterstützung und seine Offenheit gegenüber Umwelt- und Naturschutzverbänden danken wir von Herzen. Er möge in Frieden ruhen. Die Welt – nicht nur des Naturschutzes – hat einen ihrer Besten verloren. Unser Mitgefühl gilt seiner Witwe Beate Seitz-Weinzierl.

Text und Bildmaterial: Univ.Prof. Ass. Dr.-Ing. Holger Magel – TUM Emeritus of Excellence – Ehrenpräsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum  / Foto: Toni Mader 


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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