Leitartikel

Staatspreis für Harfenbau geht nach Bad Feilnbach

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Einer der Bayerischen Staatspreise für hervorragende handwerkliche Leistungen geht heuer nach Bad Feilnbach: Die Harfenbauerin Franziska Kolb erhielt die Auszeichnung im technischen Bereich für ihre Doppelhalsharfe „Ikarus“. Die OVB-Heimatzeitungen haben die 28-jährige besucht und mit ihr über dieses seltene Handwerk gesprochen.

Die kleine Werkstatt im Bad Feilnbacher Gemeindeteil Derndorf unterscheidet sich kaum von anderen Schreinereien. Es riecht nach Holz und ein wenig nach Lösungsmittel. Dass man aber nicht in einer herkömmlichen Schreinerei gelandet ist, merkt man sofort, denn: In einer Ecke stehen Harfen, mehrere Geigen sind fein säuberlich auf der Tischkreissäge aufgereiht und zwischen den Holzspänen am Boden liegen Saiten herum. Franziska bearbeitet gerade den Korpus einer Geige, denn neben den Harfen widmet sie sich auch der Reparatur und Wartung von Streichinstrumenten. Privatpersonen und Musikschulen aber auch Profimusiker lassen ihre Instrumente bei Kolb reparieren oder warten. Neben den Reparaturen entstehen in Derndorf auch neue Harfen nach Kundenwunsch. Besonders stolz ist die Handwerkerin auf ihre Doppelhalsharfe, für die sie auf der Handwerksmesse in München den Staatspreis entgegennehmen durfte. „Das Konzept der Doppelhalsharfe besteht darin, die Last des einseitigen Saitenzugs gleichmäßig auf zwei Hälse zu verteilen, wobei die Saiten zwischen den Hälsen aufgespannt werden“, erklärt Kolb diese Innovation. Sie verleiht der Harfe ein schlichtes, zeitloses Aussehen. Neben musikalischen Aspekten, wie einem „facettenreicheren Klang, prägnanteren Bässen und einem brillanterem Diskantbereich“ (höchste Tonlage, Anm. d. Red.), die das Instrument für Jazz, Barock, Klassik und natürlich Volksmusik einsetzbar macht, biete die Harfe auch ganz praktische Vorteile, etwa beim Transport. Dadurch dass die Mechanik zwischen den beiden Hälsen versteckt sind, entstehen weniger Transportschäden. Dass so eine Harfe auch was aushalten muss, wird deutlich, wenn Franziska Kolb einige Zahlen nennt. „Bei einer klassischen Tiroler Volksharfe beträgt die Spannung des Saitensatzes um die 650 Kilogramm, bei meiner Doppelhalsharfe sind wir bei etwa 850 Kilo und bei einer klassischen 47-saitigen Konzertharfe muss der Hals bis zu 1,3 Tonnen an Spannung aushalten“, so Kolb. Das System der Doppelhalsharfe hat Otto Zangerle, Harfenbauer aus Ebbs erfunden, bei dem Franziska Kolb ein Praktikum absolvierte und unter seinen Augen auch ihre erste Harfe baute. Der versierte Harfenbauer gab ihr 2018 die Möglichkeit, das Patent zu übernehmen und weiter auszubauen. Nicht immer war die Harfe ihre musikalische Begleiterin. Mit acht Jahren erlernte sie zuerst das Geigenspielen, die Harfe kam erst etwas später dazu. Nach dem Abitur am Ignaz-Günther-Gymnasium in Rosenheim erlernte Kolb den Beruf der Geigenbauerin in Mittenwald, Harfenbau wurde dort nicht unterrichtet. Und so absolvierte sie kurzerhand ein Praktikum bei Zangerle in Ebbs, 2018 wagte sie dann den Schritt in die Selbständigkeit. Vielseitig und komplex müssen Wissen und Können beim Harfenbau sein. „Rund zwei Drittel arbeite ich mit Metall, ein Drittel ist Holzbau“. Etwa vier bis fünf Monate reine Bauzeit stecken in einer Harfe, ab der Bestellung warten Kunden zwischen sechs und neun Monaten auf ihr neues Instrument. Beim Bau der wertvollen Instrumente setzt Franziska Kolb auf Regionalität und Nachhaltigkeit. „Ich beziehe fast alle benötigten Bauteile meiner Instrumente aus der unmittelbaren Umgebung. Das Holz kommt von der Holzhandlung Schmid aus Au, das Material für die Resonanzdecken kommt aus Mittenwald“, zählt sie auf. In Bad Feilnbach werden auch die Halsträgerplatten per CNC gefräst, Teile der Mechanik werden ebenfalls in Au produziert, aus Brannenburg kommen eigens angepasste Transporthüllen für die unterschiedlichen Instrumente. „Lediglich die Saiten kommen aus Frankfurt“, erzählt Franziska Kolb. Gerne würde sie ihr Wissen an Auszubildende weitergeben, dazu wäre aber eine Meisterprüfung essenziell. Doch das Ablegen derselben stellt sich als gar nicht so leicht heraus: „Es gibt in Deutschland derzeit nur einen Harfenbaumeister, der eine Meisterprüfung abnehmen könnte. Ansonsten müsste ich die Prüfung als Zupfinstrumentenmachermeisterin also für Gitarren und Zithern ablegen – das ist viel zu weit weg vom Harfenbau“, schildert die Vollblutmusikerin. Doch davon lässt sich Franziska Kolb nicht abhalten. Sie will das System der Doppelhalsharfe weiter verbessern und ausbauen und ihre Werkstatt zu einer der Top-Adressen für Harfenbau machen. Ihr Ziel ist es, „ihre“ Doppelhalsharfe populär zu machen und aus der kleinen Werkstatt in Bad Feilnbach in die Konzertsäle dieser Welt zu bringen.

Das Bild von der Preisübergabe ist vom Bayerischen Wirtschaftsministerium ( Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, verlieh auf der Internationalen Handwerksmesse in München den Bayerischen Staatspreis für besondere gestalterische und technische Leistungen im Handwerk an Franziska Kolb. © Andreas Heddergott)

Bericht und Werkstatt-Bilder:   Konrad Kriechbaumer


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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