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Sozialpreis 2018 für „Verwaiste Eltern Rosenheim“

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

So mucksmäuschenstill wie bei der Verleihung des Sozialpreises 2018 des Landkreises Rosenheim ist es selten im großen Sitzungssaal des Rosenheimer Landratsamtes. Mit „Verwaiste Eltern Rosenheim“ wurde eine Selbsthilfegruppe geehrt, die sich einem gesellschaftlichen Tabuthema annimmt.

Der stellvertretende Landrat Josef Huber sprach in seiner Begrüßung zunächst die grundsätzliche Bedeutung des Ehrenamtes in unserer Gesellschaft an. Konkret zu den diesjährigen Preisträgern sagte er, dass auch sie für andere Menschen da sind, die sich allerdings in einer besonderen Ausnahmesituation befinden: „Es ist eine Situation, die man keinem Menschen wünscht. Es ist eine Situation, an der Familien und Menschen zerbrechen können, denn wenn das eigene Kind stirbt, dann gibt es nichts, was diesen Schmerz lindern kann.“

Auf das Außergewöhnliche an diesem Ehrenamt machte die Laudatorin, die Geschäftsstellenleiterin des Jakobus Hospizvereins e.V. Barbara Noichl aufmerksam: „Dirk und Sigrid Scholz haben sich nicht bewusst für ein Ehrenamt entschieden. Sie hätten sich lieber ein normales Leben gewünscht, mit Mama, Papa, Tochter. Alles schien positiv zu sein und dann kam es ganz anders.“ Tochter Miriam starb mit acht Jahren, weil sie versehentlich den Deckel eines Filzstiftes verschluckt hatte.

„Die Eltern fielen in ein unendlich großes Loch, ein Zustand, der bis heute nicht überwunden ist“, fuhr Barbara Noichl fort, „diejenigen, die selbst betroffen sind, wissen von dieser ungeheueren Erschütterung.“ Die Preisträger stellten sich der Trauer, lange Jahre, dann wollten sie aktiv werden. Dirk und Sigrid Scholz ließen sich auf eigene Kosten zu Gruppenleitern ausbilden, um eine Selbsthilfegruppe leiten zu können. Zudem wurden sie Akuthelfer, Menschen also, die noch vor der Beerdigung Betroffene unterstützen.

Das Ehepaar Scholz gründete die Selbsthilfegruppe „Verwaiste Eltern Rosenheim“ 2001. Seitdem leiteten sie 416 Gruppenabende und begleiteten 149 Eltern, die um 138 tote Kinder trauern. „Wir sind froh, dass es diese Gruppe in Rosenheim gibt, das ist nicht selbstverständlich“, sagte Noichl. Direkt an das Ehepaar Scholz gewandt fuhr sie fort: „Wie gut, dass eure eigene Tochter euch so motiviert hat, sich zu engagieren. Seit fast 30 Jahren trauert ihr um sie. Miriam wäre heute 37 Jahre alt. Sie würde sagen, das habt ihr wirklich gut gemacht.“

Nach der Ehrung bedankte sich Dirk Scholz: „Es ist ein gutes Gefühl hier zu stehen; gesehen und beachtet zu werden.“ In großer Offenheit berichtete er von seinen Erfahrungen: „Die Trauer ist etwas Besonderes, weil das Umfeld die Trauer nicht nachvollziehen kann. Man denkt immer, schuldig oder mitschuldig am Tod zu sein, auch wenn es dafür keinen Grund gibt. Es ist der Preis der Liebe, den Eltern bezahlen.“

In Deutschland sterben jedes Jahr rund 20.000 Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Die Gründe sind vielfältig: Fehl- oder Todgeburt, plötzlicher Kindstod, Krankheit, Unfall, Suizid oder Gewaltverbrechen. Zurück bleiben Väter, Mütter und Geschwister, die sich neu finden müssen. „Es gibt keinen Königsweg, jeder muss seinen Weg der Trauer finden.“ Dirk und Sigrid Scholz schlossen mit dem Satz: „Bleiben sie und ihre Familien gut beschützt“.

Der Sozialpreis des Landkreises Rosenheim wird durch den Kreisausschuss verliehen. Er ist mit 5.000 Euro dotiert und soll ein sichtbares, äußeres Zeichen des Dankes und der Anerkennung sein, für beispielhaftes Handeln im sozialen Bereich, das oft unbemerkt von der Öffentlichkeit im Dienst des Menschen erbracht wird.

Bericht und Fotos: LRA Rosenheim

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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