Kirche

Samerberg: Von der Fußwaschung zum Heiligen Grab

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Nach dem Palmsonntag ist wieder Ruhe eingekehrt, der Palmbüschel steckt im Herrgottswinkel, die Gräber sind bereits für das Osterfest angepflanzt und das Haus für das Osterfest herausgeputzt.  Die Schulkinder freuen sich auf Ostern und haben aus Moos ein kleines Nest gebaut, in das – mit etwas Glück – der Osterhase Übernacht eine Kleinigkeit eingelegt hat. Wenn wir keinen Corona-Virus hätten, dann – ja was dann? Nun, dann würde unsere Karwoche folgendermaßen weitergehen: Die Ministranten proben am Mittwoch Vormittag für Gründonnerstag und Karfreitag. Wenn beim großen Einzug die jungen Leute in ihren roten Alben andächtig nach vorne ziehen, kommt keiner darauf, dass der Herr Diakon alle Hände voll zu tun hatte, um die Rasselbande in Form zu bringen. Schließlich muss er zeitig fertig werden, wenn er zur Chrisam-Messe im Dom sein will. Von dort bringt er die Heiligen Öle in unseren Pfarrverband mit, wo sie an alle Gotteshäuser ausgeteilt werden. Krankensalbungsöl, Katechumenöl und Chrisam für die Taufe (riecht nach Zitrone und kennt jeder, der schon einmal eine Taufe mit Günter Schmitzberger erlebt hat).

Die Fußwaschung ist ein alter Brauch, der noch vielerorts am Gründonnerstag gepflegt wird. Zum Zeichen seines Dienstes an den Menschen und als Beispiel der Nächstenliebe, wusch Jesus seinen Freunden die Füße. Wir kennen diese heute als die (12) Apostel, wobei Judas Iskariot nach seinem Verrat an Jesus nicht dazu zählt, an seiner Stelle ist ein anderer nachgerückt.  Eine Ehre, wer zu den Aposteln berufen wird!  Bei uns heißen die „Apostel“ oft Sepp und Schorsch oder Miche, aber auch einige von den ursprünglichen Namen, wie Simon und Andreas und auch Johannes, sind dabei. Es sind durchwegs die älteren Kirchengänger, die zu diesem Dienst berufen werden und die es als Ehre erachten. Heute sitzen sie alle in der ersten Reihe, sind sozusagen aktive Teilnehmer am Theatrum sacrum, am Heiligen Spiel.  Zunächst beginnt der Gottesdienst wie gewohnt: Die Glocken läuten zum Kirchgang, die Kirche ist festlich erleuchtet, die Gemeinde verfolgt den Großen Einzug und den Weihrauch-Inzens. Diakon Schmitzberger begrüßt Pfarrer i. R. Kronast, der extra gekommen ist, um den Gottesdienst mitzufeiern. Bis zum Kyrie ist alles wie immer, spannend wird es erst beim Gloria: Sobald das feierliche Orgeleinspiel begonnen hat, schaltet die Mesnerin alle Kirchenglocken ein. Zeitgleich beginnen drei Ministranten die Wandlungsglöckchen und die Sakristei-Glocke nach besten Kräften zu läuten – die Orgel spielt immer weiter und die Ministranten verlieren langsam ihren Schneid, doch ein aufmunternder Blick der Mesnerin lässt sie durchhalten bis der Diakon das erlösende Zeichen gibt! Jetzt werden die Glöckchen gegen Klappern eingetauscht, die Stricke der Sakristei-Glocke weggehängt und die Glockensteuerung ausgeschaltet damit nicht aus Gewohnheit einer läutet. Die Orgel und die Kirchenglocken schweigen bis zur Osternacht – sie sind „nach Rom geflogen“. Einen endlosen Moment herrscht in der ganzen Kirche Grabesstille – Gänsehaut!

Es folgen die Lesungen und das Evangelium nach Johannes. Die Predigt leitet über zur Fußwaschung: Weil alle bei der Probe gut aufgepasst haben, weiß jeder Ministrant, was er zu tun hat. Die größeren sind den „Aposteln“ wenn nötig behilflich, während sich die jüngeren um die Sitzbänke und die Utensilien kümmern. Derweil legen Pfarrer und Diakon die liturgischen Gewänder ab und nehmen dann mit Wasserkrug und Waschschüssel ausgerüstet die Fußwaschung vor. Die kleinen Ministranten bekommen die Handtücher, sie müssen besonders auf Zack sein. Dazu singt der Chor und die Gottesdienstbesucher versuchen ganz andächtig, die Apostel zu identifizieren. Jedes Jahr wieder ist der Steinfußboden eiskalt und ich stelle mir vor, wie es sich anfühlt, mit dem nackten Fuß auf dem Boden darauf zu warten, bis man endlich dran ist. Gejammert hat aber noch nie einer – Ehrensache.

Verwüstung und Gebet!  Nach dem Schlußgebet  übertragen Pfarrer Kronast  und Diakon Schmitzberger in einer feierlichen Prozession die geweihten Hostien zum Sakramentsaltar im Leichenhaus. Dort verbleibt das Allerheiligste bis zur Osternacht. Die Mesnerinnen und ihre Helfer aber verwüsten derweil die Kirche: alle Kerzen und Lichter sind aus, die Altäre unbenutzbar, der Tabernakel leer, das ewige Licht verloschen! – Als die Prozession zurück in die dunkle Kirche kommt, bleiben alle vor dem Altarraum stehen. Im Licht einer Kerze liest Diakon Günter Schmitzberger das Gebet, das Jesus im Garten von Getsemani gesprochen hat – dann verlassen alle unter Schweigen die Kirche. Ein besonderes Gefühl für einen besonderen Abend, – doch kaum sind die letzten Gottesdienstbesucher aus der Kirche verschwunden, beginnen für die Mesnerinnen und ihre fleißigen Helfer noch einmal arbeitsreiche Stunden: Das Heilige Grab wird aufgebaut!

Zwei starke Männer tragen unter der hilfreichen Ansage von Günter die schwere Eichen-Platte des Volksaltares in die Sakristei. Leichter ginge es zu viert, aber die Sakristei-Tür ist ziemlich klein, das haut nicht hin. Einige andere bauen zugleich den Hochaltar um. Das Bild vom Auferstandenen wird eingehängt und der Seilzug geprüft – läuft wie am Schnürchen! Daß das nicht immer so war, davon können die Mesnerinnen ein Lied singen. Bis vor ein paar Jahren der Schmid die Technik aufgerüstet hat, war es immer eine Zitterpartie mit ungewissem Ausgang. Das leere Kreuz mit weißem Tuch und der violette Stoffhintergrund ersetzen das letzte Altarbild aus der Fastenzeit. Gründlich wird geprüft, ob die Aufhängung noch stabil ist. – Unbedingt gut festmachen – einmal ist das Kreuz direkt beim Kinderkreuzweg abgestürzt und hätt beinah den Gemeindereferenten getroffen. Da es nur für den Karfreitag aufgebaut wird, ist das Heilige Grab jedesmal aufs Neue ein Puzzlespiel. Die Teile müssen aus den tiefsten Tiefen von Sakristei und Glock´-Haus zu Tage gefördert werden und im Eifer des Gefechts komm schon mal wichtige Informationen unter: Wo ist unsere Farbenmischerin?, frage ich mich – Oh je, die ist leider krank geworden – Schreck lass nach! Ein Gewusel wie auf einem Ameisenhaufen, jedoch ist in kürzester Zeit das Gerüst aufgestellt, die Tücher aufgehängt, die Figuren befestigt und schon pressiert es mit den Glaskugeln. Zum Färben benutzt unsere Fachfrau immer Krepppapier und warmes Wasser, soviel ist mir noch im Gedächtnis. Aber Achtung: zu warm und das Papier löst sich auf, das gibt gaaanz unschöne Schwebeteilchen im Glas. Also nochmal wegschütten und neu anfangen. Vor allem zu dunkel dürfen die Farben nicht sein, sonst leuchten sie nicht schön. Ist das ein Gefummel mit den alten Glaskugeln, alle Mundgeblasen, mit Rillen und ohne und alle mit ganz kleinen Öffnungen, wo unmöglich ein anständiger Trichter reinpasst. Da ist Geduld gefordert und die ist gerade Mangelware, weil jeder fertig werden will. Natürlich kann nicht einfach irgendeine Kugel irgendwo hin gestellt werden. Das hat alles seinen Platz, die Roten hier, die Gelben da und dazwischen die Kerzen, dahinter die Blumen und so weiter. Manches Jahr haben wir uns getraut und andere Farben dazugemischt, einmal sogar orange Kugeln, tollkühn – das muss ich schon sagen! Übrigens bin ich nicht mehr so nervös wegen der Glaskugeln, seit ich herausgefunden habe, dass man in Rattenberg jedezeit neue kaufen kann. Noch vor Mitternacht ist alles geschafft, das Heilige Grab ist wieder einmal wunderschön geworden und sieht zum Glück ganz genau so aus, wie all die Jahre vorher!

Text von Gertraud Maurer, Mesnerin in Roßholzen

 Foto:  Rainer Nitzsche – Fußwaschung im Vorjahr in der Pfarrkirche Törwang

 hö/Fotos: Waschzeug für die Fußwaschung sowie Heiliges Grab aus dem Vorjahr in Törwang

 Hinweise für die Karwochen- und Corona-Zeit:

Texte der Lesungen und Johannes-Evangelien finden sich  unter www.bibelwerk.de

Auch wenn unsere Seelsorger derzeit nicht in gewohnter Weise bei uns sein können, beten sie für uns mit und denken an uns. Telefonisch sind sie jederzeit erreichbar:

Pfarrer Robert Baumgartner: 08032 5252

Diakon Günter Schmitzberger: 01715703762

Gemeindereferentin Luise Schudok; 08031 71381

In den Kirchen liegen verschiedene Gebetsvorschläge und ein Segensblatt für die Palmbuschen und die Osterkörbchen auf. Zudem ist dieses Blatt auch auf der Homepage der Pfarrei abrufbar: www.pv-rohrdorf.de.

Den Live-Gottesdienst täglich finden sie auch auf der Internetseite des Bistums München-Freising https://www.erzbistum-muenchen.de/

  • Montag, 6. April, 17.30 Uhr: Domkapitular Lorenz Kastenhofer
  • Dienstag, 7. April, 17.30 Uhr: Domkapitular Wolfgang Huber

Mittwoch, 8. April, 17.00 Uhr: Kardinal Reinhard Marx

  • Gründonnerstag, 9. April, 19.00 Uhr: Kardinal Reinhard Marx
  • Karfreitag, 10. April, 15.00 Uhr: Kardinal Reinhard Marx
  • Osternacht, 11. April, 21.00 Uhr: Kardinal Reinhard Marx
  • Ostersonntag, 12. April, 10.00 Uhr: Kardinal Reinhard Marx
  • Ostermontag, 13. April,10.00 Uhr: Domdekan Lorenz Wolf

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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