Es begann mit einer überraschenden Frage. „Was haben Madonna, die Queen of Pop, und Großkarolinenfelds Bürgermeister Bernd Fessler gemein?“ Landrat Otto Lederer gab die Antwort gleich selbst. „Per Definition gehören beide der Gruppe der Senioren an.“ Lederer sprach zu Beginn eines Treffens der Seniorenbeauftragten aus den Gemeinden sowie den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Landratsamt Rosenheim.
Unter dem Begriff „Seniorinnen und Senioren“ stellt sich jeder etwas anderes vor. Tatsächlich sind es „viele individuelle Menschen mit unterschiedlichen Vorstellungen,“ so der Landrat. Er betonte die Bedeutung der ehrenamtlichen Seniorenbeauftragten in den Gemeinden. „Sie kümmern sich und bringen Themen, Probleme und Herausforderungen in die Kommunalpolitik ein.“ Ob das für die Zukunft reicht? Thomas Waldvogel, der Seniorenbeauftragte des Landkreises, äußerte Zweifel. In seiner Begrüßung sagte er, „wenn wir eine zukunftsfähige Seniorenpolitik wollen, brauchen wir Unterstützung.“ Ein Beispiel, wie die aussehen könnte, stellte Brigitte Herkert von der Koordinationsstelle Pflege und Wohnen in Bayern vor. Sie begann mit ein bisschen Statistik. In weniger als 20 Jahren wird ein Viertel der Bevölkerung Bayerns über 65 Jahre alt sein. Um dafür gerüstet zu sein, schlug Brigitte Herkert ein Quartiersmanagement vor, eine freiwillige Leistung einer Gemeinde. Es hat das Ziel, dass ältere Menschen in ihrem vertrauten Wohnumfeld bleiben können.
Eine Quartiersmanagerin oder ein Quartiersmanager hätte zunächst die Aufgabe, das Umfeld von älteren Menschen in einer Gemeinde festzustellen. Was ist vorhanden an barrierefreiem und altersgerechtem Wohnraum, an Grundversorgung und Mobilität und was muss entwickelt werden. Ein Quartiersmanagement ist Anlaufstelle für Seniorinnen und Senioren, es fördert das Ehrenamt, macht Treffpunkt- und Begegnungsangebote und vernetzt Vereine, Einrichtungen und Dienste. Auch im Bereich Pflege kann ein Quartiersmanagement eine wichtige Rolle spielen.
Gemeinden, die sich auf diesen Weg machen, werden vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert. Für einen Zeitraum von vier Jahren stellt es bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
In Bayern gibt es derzeit rund 140 solcher Projekte, eines davon in Amerang. Kathrin Kirmair ist dort seit eineinhalb Jahren die Quartiersmanagerin für Seniorinnen und Senioren. Nicht nur für sie war es etwas Neues, „es braucht viel Zeit und viele Gespräche um es zum Laufen zu bringen.“ Zu ihren Schwerpunkten gehört Beratung, bevorzugt bei den Seniorinnen und Senioren zu Hause, und die Pflege sozialer Netzwerke. Die brauche es, wenn Familien sich auflösen, weil die Kinder wegziehen, sagte Kathrin Kirmair. Sie hilft im Kleinen, beispielsweise beim Ausfüllen von Anträgen, hat aber auch das große Ganze im Blick. Die Themen sind vielfältig, wie Hausnotruf, Vorsorge, Einsamkeit oder die Beratung von Angehörigen.
Als zweite Gemeinde im Landkreis Rosenheim will Söchtenau ein Quartiersmanagement etablieren. Florian Ott, der Seniorenbeauftragte, berichtete – wie er es nannte – von der Reise dorthin. Ott scharrte Gleichgesinnte um sich. Als Arbeitsgruppe entwickelten sie einen auf die Gemeinde abgestimmten Fragebogen. Über drei Monate nahmen sie sich anschließend Zeit, um an jeder Haustüre zu klingeln. Der Aufwand lohnte sich, denn beinahe 250 ausgefüllte Fragebögen kamen zurück. Um sie auszuwerten, wurde extra ein eigenes Programm geschrieben.
In einem weiteren Schritt wurde ein Ideentag organisiert. Die Bürgerinnen und Bürger von Söchtenau nutzten die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zu einem Quartiersmanagement einzubringen. Rund 500 Personen kamen, laut Ott ein Fünftel aller Gemeindemitglieder. Abschließend beschäftigte sich der Gemeinderat in einer Klausur mit den Ideen. Am Ende stand die Erkenntnis, dass es eine koordinierende Stelle braucht. Inzwischen sind die Förderanträge eingereicht. „Wir warten auf einen positiven Bescheid“, sagte Floian Ott. „Wenn alles klappt, soll es am 1. August losgehen.“
An Ende des Treffens der Seniorenbeauftragten der Gemeinden sowie der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister blickte der scheidende Seniorenbeauftragte des Landkreises Thomas Waldvogel auf seine viereinhalb Jahre dauernde Amtszeit zurück. In dieser Zeit wurde der Pflegestützpunkt in Rosenheim als neutrale, kostenlose und ortsnahe Beratungsstelle eröffnet. Waldvogel lobte besonders die hohe Qualifikation der Mitarbeiterinnen. Wichtig war im zudem die Wohnberatung. Sein Dank galt Brigitte Neumaier, die sich im Landratsamt Rosenheim um das Thema kümmert und weiß, wie man mit wenigen Handgriffen eine Wohnung barrierearmer gestalten kann. Im Bereich Prävention waren unter anderem die diversen Betrugsmaschen wie „Enkeltrick“, „falscher Pflegedienst“ oder „Cybercrime“ wichtige Inhalte. Für die Zukunft empfahl Thomas Waldvogel eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Senioren- und Behindertenarbeit. Themen wären der öffentliche Nahverkehr oder die bauliche Barrierefreiheit.
Bericht und Foto: LRA Rosenheim – Ein Viertel der Bevölkerung in Bayern wird in weniger als 20 Jahre über 65 Jahre alt sein. Die Seniorenbeauftragten, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrat Otto Lederer (2. von links) beschäftigten sich mit der Frage, wie sie möglichst lange in ihrem vertrauten Umfeld wohnen blieben können. Ein konkreter Lösungsvorschlag ist ein Quartiersmanagement.