Leitartikel

Rede des Trachtler-Landesvorsitzenden beim Staatsempfang

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Nachfolgend die Rede von Landesvorsitzendem Günter Frey anlässlich des Empfangs der Bayerischen Staatsregierung zum Jubiläum “140 Jahre Trachtenbewegung in Bayern” in der Allerheiligenkirche der Münchner Residenz – es gilt das gesprochene Wort:

Sehr geehrter Herr Heimatminister Füracker, sehr geehrte Frau Landtagepräsidentin Ilse Aigner, werte Mitglieder des Landtags: Herr Thomas Huber, Herr Florian Streibl,  sehr geehrter Herr Bezirkstagspräsident, Josef Mederer,  sehr geehrte Frau Präsidentin, Charlotte Knobloch, S.K.H. Prinz Wolfgang von Bayern,

 Ich danke der Bayer. Staatsregierung für diesen Empfang anlässlich des Jubiläums  140 Jahre Trachtenbew. in Bayern, zu dem wir uns heute hier zusammengefunden haben. Dieser Empfang ist ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber allen Trachtenträgerinnen und Trägern nicht nur in Bayern. Dafür danke ich der Staatsregierung und auch ganz besonders Ihnen, Herr Minister Füracker (in die Wege geleitet). Ich freue mich sehr darüber, dass heute alle 25 Gauverbände Bayerns (auch die Oberländer Trachtenvereinigung, die IG Tracht Oberallgäu und der Trachtenverband Mittelfranken) sowie Vertreter der Vereinigung Historischer Trachten und des 4. Bayerischen Stammes (der Heimat-vertriebenen) hier vereint zusammengekommen sind und dieses außergewöhnliche Jubiläum gemeinsam feiern. Aber was feiern wir eigentlich? Wir feiern die Gründung des ersten Trachtenvereins und die damit verbundene Erfolgsgeschichte der Trachtenbewegung in Bayern.

An dieser Erfolgsgeschichte hat das Haus Wittelsbach großen Anteil. Sie waren die Wegbereiter.  Bereits 1810, zur Hochzeit des Kronprinzen Ludwig (des späteren König Ludwig I) mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen repräsentierten 8 Kinderpaare in Trachten die damaligen 8 bayerischen Kreise. Der volksverbundene und heimatliebende König Maximilian II Joseph war ein großer Förderer der Wissenschaft und der Kunst. Ihm war aber auch wichtig, Kunst und Brauchtum des Volkes zu fördern. Im Vorder-grund stand dabei die Hebung des bayerischen Nationalgefühls als Gegenpol/ Gegen-gewicht gegen die deutschen Einigungsbestrebungen. So unterstützte er bayerische Trachten, Bräuche, Volksmusik und Sitten. Trachtenträger wurden offiziell in das Hofzeremoniell eingebunden und das tragen von Tracht wurde nach und nach hoffähig. Er sah in der Erhaltung der Volkstrachten eine „große Wichtigkeit“  für das Nationalgefühl. Die zunehmend liberale Bevölkerung trug jedoch lieber modische und industriell gefertigte Kleidung.

Im Frühjahr 1883 saßen, an einem Sonntagabend, der Lehrer Josef Vogl, Hausmeister, Max Schreiner, die Postboten Max Acher und Johann Foisinger, der Zimmerer Sebastian Hausberger und der Mesner Martin Staudacher beim Neuwirt in Bayrischzell beim Dämmerschoppen und sinnierten über das Verschwinden der örtlichen Tracht. Kurz um beschlossen sie, sich eine kurze Lederhose machen zu lassen, worauf der Lehrer Vogl erklärte: „Wisst‘s was, gründ ma an Verein!”. Dies war der erste Verein, der sich der Erhaltung der Tracht verschrieben hatte. Damit nahm die Trachtenbewegung Fahrt auf. Noch im selben Jahr wurde ein zweiter Verein in unmittelbarer Nähe gegründet. Und es folgten in kürzester Zeit so viele Vereinsgründungen, dass noch vor der Jahrhundertwende die Gründung von zwei Gauverbänden notwendig wurde. Ein regelrechter Sturm von Vereinsgründungen sorgte dafür, dass bis 1926 18 Gau-verbände gegründet wurden. Die Gebirgsschützen und der Schützenbund werden es mir verzeihen, wenn ich sage: die Trachtler sind das Gesicht Bayerns geworden!

Das erste Mal, dass die Trachtler im größeren Maße in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden, war beim großen Trachtenaufmarsch 1930. Über 10.000 Trachtlerinnen und Trachtler zogen, gefolgt von 30 Blaskapellen, in einem Festzug durch München und wurden von Rd. 40.000 Zuschauern begleitet. Eine bis dahin einmalige Demonstration für die Heimat. Heute gibt es kaum Großveranstaltungen ohne Trachtler. Denken wir an die Olympischen Spiele 1972, die Fußballweltmeisterschaft 2006 oder die Europameisterschaften im vergangenem Jahr in München. Wie ehemals König Maximilian II Josef, bindet die Bayerische Staatsregierung seit Jahrzehnten Trachtler und Gebirgsschützen in ihr Protokoll ein. Auch wenn sich einige nichtbayerische Journalisten beim letztjährlichen G7-Gipfel darüber muckierten. Namhafte Bayerische Zeitungen hatten dies in ihren Berichten und Kommentaren allerdings wieder ins richtige Licht gestellt. Das Tragen von Tracht ist für viele Menschen zum Ausdruck ihrer Identität geworden. Tracht tragen erzeugt Heimatgefühl. Wenn wir uns heute in Bayern umschauen, können wir in allen Regionen Bayerns ein Heimatgefühl – ja, so etwas wie ein National-gefühl – wahrnehmen.

Ein Bayer ist stolz darauf ein Bayer zu sein. Und zwar selbst dann, wenn er – vor noch nicht allzu langer Zeit nach Bayern zugezogen ist. Mir san mir!

Was bringt die Menschen hierzulande dazu, weiß-blaue Rauten-Fahnen auf zuziehen oder einen Maibaum im Garten aufzustellen?

  • haben die Bestrebungen König Maximilians II Josef ihr Ziel erfüllt? Es scheint so.
  • welchen Anteil haben die Trachtenvereine daran?

Wir wollen nicht spekulieren. Es gibt viele Faktoren, die hier einflussnehmen. Aber ganz unschuldig sind wir Trachtler daran wohl nicht! Dieses Heimatgefühl ruft bei manchen Menschen Unbehagen aus. Bis vor wenigen Jahren konnte man als Trachtler sehr schnell in eine braune Ecke gestellt werden. Dabei ist allgemein bekannt und belegt, dass sich die Trachtler der Gleichschaltung der NS-Herrschaft widersetzten und sich mehrheitlich tatkräftig zum Erhalt der eigenständigen Vereinskultur einsetzten.

Unsere Trachtlerische und Bayerische Lebensart ist seit je her:

leben und leben lassen!            –                 Neubayrisch: Liberalitas Bavariä!

Auch wenn dieser Leitspruch erst nach dem 2. Weltkrieg als geflügeltes Wort für Bayerische Gemütlichkeit und Lebensart umgedeutet wurde. (Original am Portal der Kirche St. Salvator in Polling). Mir Trachtler sind scho manchmal speziell – zugegeben. Aber wir sind weltoffene Menschen. Traditions- und Heimatverbundenheit widersprechen in keinster Weise der Welt offen gegenüberzustehen.

Mit Flachwurzlern kann man keine stabile Gesellschaft bauen! Sagte Prof. Dr. Heribert Prantl beim Bayer. Bezirketag 2019 in Augsburg. Dem kann ich nur beipflichten.

Bei derselben Veranstaltung wurde von einem aufgeklärten Patriotismus gesprochen. Frau Charlotte Knobloch forderte: Wir müssen unsere Jugend zur toleranten, weltoffenen Patrioten erziehen.In den Trachtenvereinen lernen die Kinder und Jugendliche nicht nur Heimat, Tracht und regionales Brauchtum kennen. Die Kinder lernen die Regeln der Gemeinschaft einzuhalten, Rücksicht zu nehmen und sich einzufügen – aber auch sich notwendigerweise durchzusetzen und anderen beizustehen. Zusammenhalt und Kameradschaft werden in allen Gruppen großgeschrieben. Trachtenvereine sind ein Ort von Heimat und von Sozialisation. Die Jugendarbeit ist den Trachtenvereinen sehr wichtig! Für eine qualifizierte Jugendarbeit benötigen sie qualifizierte Jugendleiterinnen und Jugendleiter. Seit 2010 bilden wir diese deshalb nach dem bundeseinheitlichen Juleika-Standart aus und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Durch diese Jugendleitergrundschulungen verfügen wir über hervorragend ausgebildete und motivierte Jugendleiterinnen und Jugendleiter in den Vereinen. Für eine erfolgreiche Jugendarbeit und Jugendleiterausbildung benötigt man aber nicht nur hervorragend motivierte, ehrenamtliche Mitarbeiter, sondern auch Geld.  Die Bayerische Staatsregierung ist hier ein wertvoller und verlässlicher Partner der Jugendarbeit im Bereich der Heimat und Brauchtumspflege. Wir erfahren im Heimatministerium eine angenehme und wertvolle Begleitung sowie große Unterstützung.

Dafür danke ich Ihnen aufrichtig, recht vergelts Gott.

Ehrenamtliche Arbeit hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Auch in den  Trachtenvereinen. Die Digitalisierung hat auch Einzug in unsere Arbeit genommen.  Deshalb passen wir unsere Arbeitsweisen und Strukturen in den Vereinen den Gesellschaftlichen Veränderungen an. Politik und Gesellschaft müssen darüber hinaus Rahmenbedingungen schaffen, die es unseren ehrenamtlichen Funktionsträgern und Vorständen ermöglicht, sich weiterhin ehrenamtlich zu engagieren und Aufgaben zu übernehmen. Heimat, Tracht und Brauchtum sind untrennbar mit dem Glauben verbunden. Ohne Glauben würde in unserer Heimat, in unseren Dörfern und Städten etwas fehlen, ohne Glauben wären unsere Trachten ärmer, es gäbe nicht die Vielfalt der Trachten, ohne Glauben wäre unser Brauchtum leer und unnütz. Erst der Glaube erfüllt unsere Heimat, unsere Trachten und unser Brauchtum mit Leben!

Gott mit dir du Land der Bayern!  Recht vergelts Gott.

Foto: Hötzelsperger – Günter Frey bei seiner Ansprache in der Allerheiligenhofkirche der Münchner Residenz

 

 

 

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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