Leitartikel

Im Wortlaut: Priener Rede anlässlich 175. Geburtstag Ludwig II

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Am 175. Geburtstag von König Ludwig II. und an dessen Namenstag luden die Prien Marketing GmbH (PriMa) und die Marktgemeinde Prien nach Prien-Stock an das dortige König-Ludwig-II-Denkmal zu einer kleinen Feier ein (wir berichteten). Nunmehr veröffentlichen wir den Wortlaut der Festrede von Erstem Bürgermeister Andreas Friedrich.

 Liebe Prienerinnen und Priener, liebe Gäste,

ich darf Sie alle ganz herzlich hier bei uns am König Ludwig Denkmal zu diesem kleinen Festakt begrüßen. Einen besonderen Gruß und Dank darf ich an dieser Stelle an unsere Traditionsvereine senden, an die Priener Blasmusik, an den Priener und den Atzinger Trachtenverein, an die königlich privilegierte Feuerschützengesellschaft und an die Gebirgsschützenkompanie, die mit ihren Fahnenabordnungen angetreten sind und dieser Feier einen festlichen Rahmen verleihen.

Es ist – bedingt durch Corona – eine kleine Feier. Gar nicht zu feiern war aber auch keine Option. Denn dafür ist der Anlass zu wichtig. Heute, auf den Tag genau vor 175 Jahren kam auf Schloss Nymphenburg in München der spätere Märchenkönig Ludwig II zur Welt. Als Prinz Otto Ludwig Friedrich Wilhelm von Bayern – so sein voller Name – am 25. August 1845 geboren wurde, war Bayern noch ein vollständig souveränes Königreich, über das sein Großvater König Ludwig I regierte. Wobei man das regieren schon etwas eingeschränkt sehen muss: Bayern war bereits seit 1818 ein Verfassungsstaat, der König war auf die Mitarbeit des Landtags angewiesen.

Bayern verfügte aber noch über die volle Souveränität und Militärhoheit und war lediglich Mitglied des Deutschen Bundes. Der Vater des kleinen Prinzen war Kronprinz Maximilian, die Mutter war die evangelische Prinzessin Marie Friederike von Preußen. Da der künftige Thronfolger wie schon sein Großvater am Tage des Hl. König Ludwigs von Frankreich, dem 25. August, geboren wurde, erhielt er ganz selbstverständlich auch den Namen Ludwig, der auf Drängen des Großvaters zum Rufnamen und damit zu dem Königsnamen der Wittelsbacher schlechthin werden sollte. Als König Ludwig II. von Bayern am 13. Juni 1886 – und damit nach nur 40 Jahren, 9 Monaten und 19 Tagen – in den Fluten des Würmsees, dem heutigen Starnberger See zu Tode kam, war Bayern ein Bundesstaat des Deutschen Kaiserreiches geworden, hatte auf weite Teile seiner Souveränität verzichten und nur die Militärhoheit in Friedenszeiten, einige Steuerprivilegien und Reservatrechte erhalten können.

Zwischen diesen Jahren – 1845 und 1886 – erstreckte sich das Leben des wohl populärsten bayerischen Monarchen, der noch heute Emotionen zu wecken vermag. Eine sich der Normalität und dem Alltag entziehende fürstliche Lebensführung und ein geheimnisvoller Tod bieten offenbar auch heute noch den Stoff, aus dem die Träume sind. Aber lasst uns nun mehr auf das Leben und das Wirken König Ludwig II zurückblicken. Vorweg: es ist der Rückblick eines Kommunalpolitikers, nicht der eines Historikers und nicht der eines Sozialwissenschaftlers oder gar Arztes. Ich will deshalb versuchen, parallelen in die heutige Zeit zu ziehen und die Errungenschaften des Märchenkönigs hervorzuheben, von denen wir hier in Prien, in der Chiemsee-Region und im ganzen Land heute noch profitieren.

Zunächst einmal Ludwig als Förderer der Kunst:

Die Beschneidung seiner Souveränität nach Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 führte dazu, dass sich Ludwig II. immer weiter aus der Politik zurückzog und sich in eine von ihm aufgebaute Scheinwelt flüchtete. Je mehr der König von Bayern seine ihm verbliebenen Rechte an das Reich abtreten musste und an realer Macht einbüßte, desto mehr steigerte sich seine Auffassung vom idealen Herrschertum und seiner absoluten Machtfülle, die er in der Realität nicht mehr ausüben konnte. Dieser Machtverlust machte dem König arg zu schaffen und er suchte Ablenkung in der Kunst, am bekanntesten ist sicherlich seine Unterstützung Richard Wagners. Aber auch seine Schlossbauten förderten Architektur und das Kunsthandwerk und bedeuteten gleichzeitig einen Innovationsschub und ein Konjunkturprogramm für die weitab von München liegenden, sehr ländlich geprägten Regionen unseres Landes, in denen er seine Traumschlösser Linderhof, Neuschwanstein und schließlich Herrenchiemsee bauen ließ.

So stellte schon Ludwig Thoma, der über die Grenzen Bayerns hinaus als großer Dichter und Schriftsteller seiner Zeit bekannt geworden ist fest, dass sich am Chiemsee plötzlich reges Leben entwickelte. Scharen von Arbeitern siedelten sich auf der Herreninsel, aber auch auf den nächsten Ufern an;  viele Bauleiter mieteten sich in Prien ein und die Zufuhr des Materials für den Schlossbau brachte Fuhrleuten und Schiffern einen guten Verdienst. In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass Ludwig II eine ganz besonders starke soziale Ader hatte. So erhöhte er beispielsweise zu seinem Regierungsbeginn die Besoldung aller seiner Hofbediensteten, ließ den damals sehr schlecht bezahlten Volksschullehrern aus seiner eigenen Tasche ein Weihnachtsgeld auszahlen und sehr viele Menschen haben durch verschiedene Dienste bei den Schlösserbauten und den damit verbundenen Straßen- und Wasserleitungsbauarbeiten ihr Brot verdienen können. Darüber hinaus war er Schirmherr humanitärer Einrichtungen, wie des Bayerischen Roten Kreuzes, von Anstalten für Armenspeisungen, von Krankenunterstützungsvereinen, auch des Tierschutzvereins München und zahlreicher anderer Institutionen, die er mit eigenen finanziellen Mitteln unterstützte. Diese Wohltaten machten König Ludwig II bei seinen Bayern beliebt und verhalfen ihm schließlich zu seiner Bezeichnung „Volkskönig“.

Als Kunstmäzen und als Bauherr seiner Schlösser, ist der König noch immer im allgemeinen Bewusstsein. Weniger kennt man ihn als Förderer innovativer Techniken und Entwicklungen, die ihm halfen, seine Pläne in die Tat umzusetzen. So ließ er nicht nur phantastische Schlösser, sondern auch das erste bayerische Elektrizitätskraftwerk bauen. Mit dessen Hilfe konnte die „Venusgrotte“ bei Schloß Linderhof effizient und stilecht beleuchtet werden. Ludwig II. war auch der Halter des wohl ersten elektrisch beleuchteten Fahrzeugs nicht nur in Bayern. Ein Gemälde hält die Erinnerung an die Schlittenfahrten des Königs im verschneiten Gebirgswald fest, das Licht strahlt von der an der Spitze auf dem Gefährt angebrachten Königskrone aus – im Marstall in Nymphenburg kann der Schlitten im Original besichtigt werden. Das vermeintlich mystische Licht aber stammte von einer elektrischen Glühbirne mit einer Batterie im Schlittenkasten, eine der frühesten Verwendungen von Elektrizität als Energiequelle. Ludwig II. war auch sonst für technische Innovationen aufgeschlossen und damit so gar nicht der weltfremde Romantiker und Märchenkönig, wie er heute so gerne dargestellt wird. Dieser König rief im Jahr 1868 die „Königlich-Bayerische Polytechnische Schule zu München“ in seiner Residenzstadt als Hochschule ins Leben, was einen ungeheuren Traditionsbruch darstellte, denn akademische Bildung war lange Theologen und Juristen, Medizinern und Philosophen vorbehalten.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts aber waren die wirtschaftliche Entwicklung und die Industrialisierung weit fortgeschritten, neue Herausforderungen und Aufgaben verlangten eine veränderte Ausbildung. So erfolgten im Jahr des Regierungsantritts Ludwigs II. 1864 mehrere Neuerungen für die technische Ausbildung. Neben das traditionelle Gymnasium traten das Realgymnasium und die Oberrealschule zur Vorbereitung für technische Berufe. Eine Neugliederung der schulischen Ausbildung, die wir übrigens heute – natürlich mit geänderten Bezeichnungen – dem Grunde nach noch immer in unserer Schullandschaft finden.

Schließlich ließ König Ludwig II. die Technische Hochschule im Jahr 1868 zunächst noch unter der alten Bezeichnung Polytechnische Schule eröffnen. Am 6. August 1877 gewährte König Ludwig II. dann die Bezeichnung „Königlich Bayerische Technische Hochschule zu München“ und verlieh ihr die Gleichstellung mit den übrigen bayerischen Universitäten. Dies bedeutete eine wirkliche Innovation in der bestehenden Schul- bzw. Universitätslandschaft Bayerns.

Heute ist die TU München übrigens noch immer die einzige technische Universität in Bayern. Sie ist dabei mit über 42.000 Studenten in 172 Studiengängen die zweitgrößte technische Hochschule in Deutschland und darf sich mit dem Prädikat „Elite-Universität“ schmücken. Die goldene Amtskette des Rektors ziert dabei heute noch ein Bild Ludwigs II. als des Stifters der Hochschule, der mit der Gründung der Universität wahren Weitblick bewiesen hat. Wenn die Extravaganzen des Königs, seine Bauleidenschaft und seine nächtlichen Ausfahrten bei Fackelschein, aber auch seine Mildtätigkeit und sein Weitblick das Ansehen des Königs nach seinem Tod bis in das Mythische überhöht haben, so bedeuteten das Fehlen des Königs in den politischen und wirtschaftlichen Zentren des Landes und sicherlich auch die Schulden, die er durch seine Schlossbauten angehäuft hatte, doch eine Belastung für den monarchischen Gedanken.

So wurde Ludwig II schließlich am 8. Juni 1886 auf Betreiben der Regierung in einem Gutachten auf Grund von Zeugenaussagen und ohne persönlicher Untersuchung für „seelengestört“ und „unheilbar“ erklärt. Am 9. Juni wurde Ludwig entmündigt und sein Onkel Luitpold übernahm als Prinzregent die Regierungsverantwortung. Am 11. Juni 1886 gegen Mitternacht kam eine Kommission nach Neuschwanstein, wo sich der König zu diesem Zeitpunkt aufhielt und er wurde dort in Gewahrsam genommen und nach Schloss Berg am Ufer des damals noch Würmsee genannten Starnberger Sees verbracht.

Am 13. Juni, dem Pfingstsonntag, brachen der König und sein Arzt, Dr. von Gudden gegen 18 Uhr zu einem Spaziergang auf. Als beide um 20 Uhr nicht zurück waren, wurden alle verfügbaren Männer mit Lampen und Fackeln ausgeschickt, um die beiden zu suchen. Gegen 22 Uhr fand man schließlich den Mantel des Königs im Wasser, eine halbe Stunde später fand man den König und Dr. von Gudden nicht weit vom Ufer entfernt tot im seichten Wasser. Die später aufgefundene Taschenuhr des Königs war um 18.54 Uhr stehen geblieben, weil Wasser eingedrungen war, die Taschenuhr Dr. von Guddens aus gleicher Ursache dagegen erst um 20.10 Uhr. Nach der offiziellen Darstellung habe von Gudden den Regenten an einem Suizid hindern wollen und sei dabei selbst zu Tode gekommen. Diese Version wurde jedoch schon bald bezweifelt. Um den Tod Ludwigs II. ranken sich von Anfang an und bis heute zahlreiche Gerüchte, die unter Anderem einen möglichen Fluchtversuch oder gar die Erschießung des Königs in Erwägung ziehen. Was sich genau in dieser Nacht ereignet hat – wir werden es wohl nie erfahren. Und so bewahrheitete sich eine Aussage unseres früheren Königs, die er einmal in einem Brief an seine Erzieherin geschrieben hat: “Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen”.

Was wir wieder sicher wissen ist, dass Ludwig am 19. Juni 1886 nach einem Leichenzug durch München in der Gruft der Michaelskirche in der Neuhauser Straße beigesetzt wurde. Sein Herz wurde in der Gnadenkapelle von Altötting bestattet.

Meine Damen und Herren, ich will den 175. Geburtstag von König Ludwig II., dem wohl bekanntesten Bayern überhaupt, nutzen um eine Frage in den Raum zu stellen. Was wäre der Tourismus in unserer Region ohne den Chiemsee, was wäre der See ohne seiner Inseln und was wären die Inseln ohne das Schloss Herrenchiemsee?

Eine hypothetische Frage, aber ich bin davon überzeugt, dass sich der Tourismus anders entwickelt hätte, wenn nicht dieses Schloss gebaut worden wäre, dass die Chiemseebahn längst eingestellt wäre, dass die Schifffahrt in den roten Zahlen wäre und dass tausende von Arbeitsplätzen rund um den See nicht entstanden wären. Unsere Region sähe heute anders aus und hätte eine andere Entwicklung genommen – sicherlich aber keine bessere.

Und so gedenken wir heute unserem unvergessenen und gerade in unserer Gegend so geschätztem „Kini“. Möge er noch auf lange Zeit in unseren Gedanken und unseren Herzen weiterleben!

Foto: Hötzelsperger -Bürgermeister Andreas Friedrich von Prien bei seiner Festrede auf den Schären in Prien-Stock

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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