Kultur

Grassauer Literaturpreis erstmals verliehen

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Grassau (tb) – Für die fünfköpfige Jury war es kein leichtes Unterfangen aus den 470 eingereichten Kurzgeschichten den Gewinner des „Grassauer Deichelbohrer“ zu ermitteln. Zwei Abende in der idyllisch gelegenen Professor Sawallisch Villa wurden der Preisverleihung gewidmet. Schließlich konnte die 42jährige Heidi Lackner mit ihrer Kurzgeschichte „Der Duft sterbender Bücher“ die Jury überzeugen und gewann den mit 1000 Euro dotierten Literaturpreis.

Angeline Bauer, selbst Autorin und in Grassau lebend, leitete die Jury, bestehend aus den Grassauer Vertretern, dem  Kulturbeauftragten Robert Höpfner und dem Autor Klaus Bovers, sowie die bekannte Berufsautorin Mara Laue vom Niederrhein sowie Dr. Constanze Wilken, Autorin und Kunsthistorikerin aus Norddeutschland. Sie stellte am ersten Abend, der ganz den Autoren der Shortlist, also der acht Autoren, die von der Jury aus der Longlist gewählt wurden, vorbehalten war, vor. Alle acht Autorinnen und Autoren hatten die Gelegenheit ihre Kurzgeschichte einem interessierten Publikum vorzustellen. 470 Kurzgeschichten zum Thema „Nähe“ wurden eingereicht, darunter Krimis, Skurriles, aber auch Märchen. Die Autoren stammten aus ganz Deutschland. Da alle Einreichungen anonymisiert wurden, waren der Jury die Autoren zu den jeweiligen Geschichten völlig unbekannt. Aus den acht Schriftstellern wurde letztlich auch der Publikumspreis ermittelt.  Zunächst stellte Andreas Weidmann seine Geschichte „Die Reise“ vor, in der ein einsam lebender Mann die Nähe zu anderen Fahrgästen im Zug nicht mehr ertragen kann und die Notbremse mit schwerwiegenden Folgen zieht. Ebenso begeisterte Armena Kühne-Enzinger mit „Glockengasse 13 oder die Zeit mit Garib“, in welcher eine einsame Frau sich in einen Straßenkünstler verliebt, die Liebe aber nicht von Bestand ist, weil beide von einer inneren Unruhe getrieben werden. Cornela Koepsell „Nacht-Allein-Im Wald“ ließ ihre Protagonistin im Wald immer wieder auf einen Mann treffen, der sich als Faun entpuppte. Begeistern konnte David Jacobs mit seiner einfühlsamen Geschichte „Haikus“. Er beschreibt, wie ein an Demenz erkrankter Mann langsam sich selbst verliert und mittels Haikus (kleiner Sprüche) eine Brücke in die Vergangenheit findet. Mit der Geschichte „Der Duft sterbender Bücher“ begeisterte Heidi Lackner das Publikum. Sensibel lässt sie ihre Darsteller, einen Buchrestaurator und dessen lange nicht mehr gesehenen Freund im angesichts des Todes wieder zueinanderfinden. In die Zeit der 1920ziger entführte Janina Rehak mit „Schall und Rauch“ und ließ die Zuhörer an einer vermeidlichen Liebesgeschichte zwischen dem ungleichen Paar, einem Musiker und einer Dirne teilhaben. Über die Tiergattung des „Findelfell“, so der Titel ihrer Kurzgeschichte ließ Julia Kersebaum ihre Zuhörer im Unklaren. Wichtiger war vielmehr, dass eine eingeschlafene Ehe über dieses Findelkind und eine gemeinsame Aufgabe wieder zu sich als Paar fand.

Der jüngste und alphabetisch letzte Autor der Shortlist Manuel Zerwas (Jahrgang 1987, Gymnasiallehrer) bot den Zuhörern in seiner Geschichte „Ich fühle was, was du nicht fühlst“ einen Einblick in die Gefühlswelt eines blinden und zugleich tauben Menschen, der dank der sensiblen Zuwendung einer Prostituierten körperliche Nähe erfährt.

Ergriffen zeigte sich das Auditorium von allen Geschichten, lauschten aufmerksam und durften letztlich den Publikumspreis vergeben. Dieser ging an David Jacobs und die Geschichte „Haikus“.

Beim Galaabend zur Verleihung des Literaturpreises erklärte zunächst Bürgermeister Rudi Jantke, dass der Markt Grassau Kultur und Kunst einen hohen Stellenwert zuordnet, stolz auf die Musikschule sei, Kunst im öffentlichen Raum durch Skulpturen bekannter Künstler fördere und froh um die gut aufgestellte Bücherei sei. Die Literatur spiele aber auch eine große Rolle und so freue er sich, dass der „Grassauer Deichelbohrer“ verliehen werden könne. Die passende musikalische Umrahmung boten Beatrice von Kutzschenbach am Klavier und Udo Scheuerpflug, lyrischer Tenor mit Filmmelodien. Angeline Bauer, die auch den zweiten Abend und damit die Preisverleihung moderierte, ging auf die Schwierigkeit der Auswahl ein und betonte, dass alle acht Autoren der Shortlist Gewinner seien. Initialzünder und Ideengeber für den Literaturpreis war Robert Höpfner. Als Kulturbeauftragter und Autor wusste Höpfner auch von der literarischen Geschichte des Marktes Grassau und von vielen Autoren, die in der Gemeinde wohnen. Insofern stand es für ihn außer Frage auch dem literarischen Wirken einen besonderen Stellenwert zu geben. Ein Literaturpreis sollte aber nicht räumlich begrenzt, sondern deutschlandweit ausgelobt werden. Als Mitstreiter holte er sich Angeline Bauer ins Boot, die bereits mit Erfahrung bei Literaturwettbewerben und als anerkannte Autorin aufwarten konnte. Von der Idee ließ sich zudem Autor Klaus Bovers sowie Bürgermeister und Marktgemeinderat überzeugen. Der Name „Grassauer Deichelbohrer“ rührt von der hölzernen Rohrleitung, die früher die wertvolle Salzsole von Traunstein nach Rosenheim transportiert. Mit dem Deichelbohrer wurden die Fichtenstämme für die Pipeline mühsame ausgehöhlt. Auch beim Schreiben, so Angeline Bauer, sei es wichtig in die Tiefe zu gehen.

Die Preisträger:

Alle acht Autoren der Shortlist wurden bis zum Ende des Galaabends auf die Folter gespannt. Auf den dritten Platz mit 300 Euro bewertet, landete Manuel Zerwas mit seiner bewegenden Geschichte. Den zweiten Platz und 500 Euro durfte David Jacobs mit „Haikus“ in Empfang nehmen. Den Literaturpreis „Grassauer Deichelbohrer“ gewann Heidi Lackner für die Geschichte „Der Duft sterbender Bücher“. Alle Geschichten der 35 Autoren, die es in die Longlist schafften, sind auch im Buch „Literaturpreis Grassauer Deichelbohrer 2019“ Anthologie, herausgegeben von Angeline Bauer im by arp Verlag nachzulesen.

Bericht: Tamara Eder – Fotos: Klaus Bovers

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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