Kultur

Gespräch mit dem Leiter des Rosenheimer Lokschuppens

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Seit 26 Jahren ist Dr. Peter Miesbeck Leiter des Ausstellungszentrums Lokschuppen in Rosenheim. Im Sommer dieses Jahres verabschiedet er sich in den Ruhestand. Im Gespräch mit Innpuls.me erzählt er, woher seine Liebe zu Ausstellungen kommt, wie sich Konzeption und Präsentation der Ausstellungen im Lokschuppen in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben und was es nach seiner Meinung nach braucht, damit der Lokschuppen auch zukünftig zu den besten Ausstellungszentren Deutschlands zählt.

Frage: Herr Dr. Miesbeck, im Jahr 1996 wurden sie Leiter des Ausstellungszentrums Lokschuppen in Rosenheim. Können Sie sich noch erinnern, welche Ausstellung in diesem Jahr gezeigt wurde?
Antwort: Natürlich weiß ich das noch. Wir hatten in dem Jahr „Die Welt der Wale“, eine Wanderausstellung der Agentur „Woite, Bauch und Partner“, die natürlich schon längst feststand. Die Ausstellung hatte rund 80.000 Besucher, was für damalige Verhältnisse ein veritabler Erfolg war.

Frage: Hätte man mit der gleichen Ausstellung mit dem gleichen Konzept heute auch noch die Chance, die Besucher zu begeistern?
Antwort: Nein, sicher nicht. Das Thema wäre zwar heute auch noch zugkräftig, aber die Qualität der Darstellung würde unseren heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen.

Frage: Wie hat sich der Geschmack der Besucher hinsichtlich der Themen und der Präsentation im Lauf der Zeit geändert?
Antwort: Die Sehgewohnheiten der Besucher haben sich schon deutlich verändert. Ohne Medienstationen und Inszenierungen könnten wir heute keine Ausstellung mehr präsentieren. Im Laufe der Jahre haben wir die Gestaltung und die Inszenierungen immer weiter vorangetrieben und verbessert.

Frage: Woher kommt eigentlich Ihre persönliche Begeisterung für Ausstellungen?
Antwort: Ich war immer schon mit Ausstellungen beschäftigt, während der Schulzeit und während des Studiums. Geprägt hat mich die „Lehrzeit“ am Haus der Bayerischen Geschichte, wo ich durch die Mitarbeit am Projekt „Salz Macht Geschichte“ das Handwerkszeug für die Entstehung einer großen Ausstellung erlernen konnte. Und dann ist es – ähnlich wie bei der Produktion eines Films – immer wieder die Suche nach einem publikumswirksamen Thema und das Streben nach einer „perfekten“ und mitreißenden Inszenierung und Darstellung.

Frage: Was macht den Erfolg einer Ausstellung aus?
Antwort: Am wichtigsten ist es, mit dem Thema den „Nerv“ des Publikums zu treffen. Ebenso wichtig ist dann natürlich eine mitreißende Darstellung, wobei unsere Basis immer die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse sind.

Frage: Welche war die bisher erfolgreichste Ausstellung im Lokschuppen und wie erklärt sich dieser Erfolg Ihrer Meinung nach?
Antwort: Bisher unerreicht mit 280.000 Besuchern sind die „Dinosaurier – Giganten Argentiniens“, die wir im Jahr 2009 zeigten. Der Erfolg ist leicht zu erklären: „Dinos“ ziehen immer und vor allem hatten wir mit dem 38 Meter langen und 10 Meter hohen Argentinosaurus den (damals) größten Dinosaurier der Welt. Außerdem war es eine gut inszenierte Ausstellung mit einer eigenen Halle für den Argentinosaurus und ein paar andere große Dinos.

Frage: Welche Ausstellungen im Lokschuppen lagen Ihnen persönlich besonders am Herzen?
Antwort: Eine sehr schwierige Frage, denn im Grunde war ich bei allen Ausstellungen mit „Herzblut“ dabei. Wichtige Meilensteine für mich waren 2002 „Tibet“, dann 2007 „Maya“ und natürlich die „Dinosaurier“ 2009. Die „Tiefsee“ 2012 brachte erneut einen wichtigen Schritt nach vorne, der „Regenwald“ 2015 lag mir besonders am Herzen wie auch die „Wikinger“ 2016. Mit „Pharao“ 2017 gelang erstmals die internationale Vermarktung in Zusammenarbeit mit der Agentur Museumspartner. Damit erreichten wir ein Ziel, auf das wir lange hinarbeiteten. Nach mehreren Stationen in Kanada und in den USA wird „Pharao“ 2023 auch in Auckland in Neuseeland gezeigt werden.

Frage: Wie werden die Themen eigentlich ausgewählt?
Antwort: Mit der Besucherumfrage am Ende jeder Ausstellung fragen wir immer auch die Beliebtheit von einer Reihe von Themen ab. Jedes Jahr bekommen wir von rund 5.000 bis 6.000 Besuchern Rückmeldungen. Daraus erstellen wir unser „Themenbarometer“ und wir greifen dann die Themen an, die eine Zustimmung von mehr als 80% erreichen. Damit stellen wir sicher, dass wir nicht am Geschmack des Publikums vorbei arbeiten. Diese Vorgehensweise hat sich in den letzten Jahren sehr bewährt.

Frage: Gab es auch mal eine Ausstellung, die Ihre Erwartungen so gar nicht erfüllt hat?
Antwort: Leider ja. Im Jahr 2001 hatten wir das Projekt „100 Jahre Bergfilm“, produziert durch einen Kooperationspartner. Die Ausstellung war gut inszeniert, aber das Thema war nicht gefragt. Damals hatten wir das Instrument des „Themenbarometers“ auch noch nicht so entwickelt.

Frage: Besonders schwer hatten es sicher die Giganten der Meere. Denn sie fielen genau in die Zeit der Corona-Pandemie
Antwort: Ja, das war bitter und ein schwerer Schlag für uns alle. Bis zum Beginn der Pandemie lief die Ausstellung hervorragend und wie geplant. Zwei Lockdowns (insgesamt … Wochen) und starke Beschränkungen der Besucherzahlen haben uns den Erfolg gründlich verhagelt.

Frage: Wie hat sich die Pandemie insgesamt auf die Welt der Ausstellungen ausgewirkt?
Antwort: Die meisten Museen und Ausstellungshäuser haben ihre für 2021 geplanten Projekte um ein Jahr verschoben, ganz abgesagt oder das Programm verändert. Deshalb konnten wir auch die „Saurier der Meere“ um ein Jahr verlängern und die für 2021 geplante „Eiszeit“ in 2022 verschieben. Leider wurde auch die für „Saurier“ geplante internationale Tournee wegen Corona von den Museen in den USA abgesagt.

Frage: Von den Sauriern geht es 2022 in die Eiszeit. Ist das die letzte Ausstellung, die ihre Handschrift trägt oder haben Sie auch noch für die kommenden Jahre noch den Weg vorgegeben?
Antwort: Die Themen für die kommenden Jahre sind ja schon festgelegt. Nach der „Eiszeit“ kommen die „Vulkane“, 2024 zeigen wir „Maya“ und dann geht es um „Versunkene Schätze“. Sofern es die Gesundheit erlaubt, werde ich die Entstehung der „Vulkane“ noch als „Unruheständler“ begleiten.

Frage: In den vergangenen Jahren wurde der Lokschuppen auch umfangreich saniert, um auch weiterhin in der oberen Liga der Ausstellungszentren mitspielen zu können. Was muss noch passieren, damit der Lokschuppen seinen guten Ruf auch in Zukunft behält?
Antwort: Die Sanierung und Erweiterung war ein sehr wichtiger und überfälliger Schritt, um die Infrastruktur auf ein zeitgemäßes und zukunftsfähiges Niveau zu heben. Was die Infrastruktur betrifft, ist die Gestaltung des Vorplatzes und des direkten Umfeldes in den nächsten Jahren noch eine wichtige Ergänzung. Bei den Ausstellungen wird in Zukunft die internationale Vermarktung eine immer wichtigere Rolle spielen.

Frage: Die Eröffnung der „Eiszeit“ erleben Sie noch als Leiter des Ausstellungszentrums Lokschuppen. Die nächste Ausstellung aber dann als Besucher. Wie denken Sie wird sich dadurch Ihr Blickwinkel verändern?
Antwort: Den geübten Blick des Ausstellungsmachers werde ich zwar sicher nicht verlieren, aber wahrscheinlich werde ich mit weniger Wissen um die Hintergründe sicher mit mehr Genuß die Ausstellungen besuchen.

Frage: Ihre Nachfolgerin ist Dr. Jennifer Morscheiser. Welchen Rat geben Sie Ihr mit auf den Weg?
Antwort: Nie stehen bleiben, immer weiterentwickeln und „am Puls der Zeit“ bleiben.

Das Interview führte Karin Wunsam von Innpuls.me

Archiv-Foto: Lokschuppen Rosenheim – Besucher-Ehrung im Jahr 2006 zusammen mit OB Gabriele Bauer und mit Dr. Peter Miesbeck (re.)

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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