Kultur

Flintsbach begeistert mit „Madam Bäurin“

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Das Volkstheater Flintsbach eröffnete am vergangenen Samstag seine Jubiläumsspielzeit mit der Premiere von „Madam Bäurin“, inszeniert von Martin Obermair, in der über 200 Jahre alten Kulisse des historischen Theaterstadls. Der gleichnamige Roman von Lena Christ (1881–1920) bildete die Grundlage für einen Theaterabend, der nicht nur als Auftakt zur 350. Spielsaison gedacht war, sondern als ein echtes Bekenntnis zur regionalen Theaterkultur – getragen von einem hochmotivierten Laienensemble.

Die 1919 erschienene Erzählung Lena Christs wurde in Flintsbach mit großem Feingefühl und in stilsicherer Umsetzung auf die Bühne gebracht. Im Mittelpunkt steht Rosalie, eine junge Frau aus gutbürgerlichem Milieu, deren Aufenthalt auf dem Land sie mit einer neuen Lebenswelt konfrontiert – fern von gesellschaftlichen Zwängen, nah an echter Begegnung. Die wachsende Zuneigung zu Franz, einem besonnenen Bauernsohn, öffnet ihr den Blick für ein anderes Leben. Es ist eine Geschichte über Selbstbestimmung, über Rollenbilder und über den Mut, sich nicht dem Vorgegebenen zu beugen – und sie berührt durch ihre Aktualität.

Marlene Obermair überzeugte in der Titelrolle mit großer Natürlichkeit und nuancenreicher Präsenz. Ihr Spiel spiegelte eindrucksvoll den inneren Wandel Rosalies wider – vom zurückhaltenden Stadtfräulein zur entschlossenen jungen Frau. Ihr gegenüber stand Matthias Reiter als Franz: zurückhaltend, bodenständig, glaubwürdig. Er ließ der Figur Raum zur Wirkung, ohne sie je zu unterspielen – ein leises, starkes Rollenporträt, das auch durch die Regie geschickt ins Licht gerückt wurde.

Mit kantiger Eleganz und schneidender Klarheit verkörperte Lisa Obermair die standesbewusste Mutter Scheuflein, während Christine Wilhelm in der Rolle der Schiermoserbäuerin mit Energie, Schlagfertigkeit und einer starken Bühnenpräsenz Akzente setzte. Dem Schiermoserbauern verlieh Bernhard Obermair eine stille, erdverbundene Autorität. Mit sparsamer Mimik und nüchterner Klarheit gestaltete er eine Figur, die tief im bäuerlichen Alltag verwurzelt scheint – ein ruhender Pol und glaubwürdiges Gegengewicht zur nervösen Betriebsamkeit der Stadtfiguren, schnörkellos und überzeugend gespielt. Marianne Kraus ließ als Adele Scheuflein mit feinem Gespür für Zwischentöne eine Figur entstehen, die beobachtend, leicht spöttisch und geprägt von kultiviertem Standesbewusstsein auftritt. Ihr Spiel verlieh der städtischen Perspektive auf das Landleben eine zurückhaltende Arroganz – und setzte zugleich kluge Kontrapunkte im sozialen Gefüge des Stücks.

Weitere Ensemblemitglieder trugen auf ihre Weise zum Gelingen bei: Dominik Holten als steifer Assessor von Rödern lieferte eine stimmige Karikatur urbaner Arroganz, Matthias Obermair als Hias brachte mit Charme und augenzwinkerndem Witz eine willkommene Portion Lebendigkeit ein. Insgesamt standen 23 hochengagierte Laienschauspieler auf der Bühne.

Die Umsetzung stellte an alle Beteiligten hohe Anforderungen – sprachlich, szenisch und atmosphärisch. Lena Christs Figuren leben vom Subtext, von kleinen Gesten, Blicken, Pausen. Ihre Vielschichtigkeit verlangt Konzentration, Taktgefühl und ein Gespür für das, was zwischen den Zeilen mitschwingt. Martin Obermair vertraute dabei konsequent auf die Kraft der Vorlage und das differenzierte Spiel seines Ensembles. Mit feinem Gespür für Timing und Rhythmus entstand so eine Inszenierung, die durch ihre Zurückhaltung bestach. Humorvolle Momente wurden ebenso präzise platziert wie emotionale Tiefe – ohne Pathos, aber mit Wirkung.

Dass dieses Zusammenspiel so gelungen war, ist das Resultat intensiver Probenarbeit und eines Regiekonzepts, das klare Linien vorgibt, ohne einzuengen. Jede Rolle – ob groß oder klein – wurde ernst genommen und mit Leben gefüllt. Die Darstellerinnen und Darsteller überzeugten nicht nur individuell, sondern als geschlossenes Ensemble, das sich mit hörbarer Spielfreude, Disziplin und gegenseitigem Respekt auf der Bühne begegnete.

Diese Leistung fand auch ihren Ausdruck im Gesamtbild: Das Bühnenbild von Bernhard und Simon Obermair zeigte mit viel Detailtreue Hof, Markt und Gästezimmer – alles sorgsam gestaltet und stimmig in Szene gesetzt. Historische Kostüme unterstrichen die Zeitstimmung, ohne museal zu wirken. Eine besondere Stärke lag in der Musik: Die neu komponierten Zwischenspiele, live dargeboten von der Theatermusik, verbanden die Szenen mit stilistischer Eleganz und verliehen dem Abend einen ganz eigenen Klangrahmen.

Das Publikum zeigte sich sichtlich bewegt. Szenenapplaus, herzliches Lachen an den richtigen Stellen und langanhaltender Schlussbeifall, teils im Stehen, machten deutlich: Diese Aufführung hatte berührt, zum Schmunzeln gebracht – und zum Nachdenken.

„Madam Bäurin“ in Flintsbach ist damit mehr als nur eine gelungene Premiere. Es ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie Heimatbühne und Literaturklassiker in respektvoller und lebendiger Weise zusammenfinden können. Wer klug erzählte Geschichten, feines Schauspiel und handwerklich sauberes Theater schätzt, ist hier bestens aufgehoben – ein Abend, der lange nachwirkt.

Wer die Premiere verpasst hat, kann das Stück noch mehrfach erleben: Bis Mitte August wird „Madam Bäurin“ regelmäßig im Theaterstadl aufgeführt, meist dienstags, donnerstags und freitags um 20 Uhr. Die Abschlussvorstellung findet am Sonntag, den 17. August, bereits um 14 Uhr statt. Karten gibt es online unter www.volkstheater-flintsbach.de oder telefonisch werktags von 11 bis 13 Uhr unter 08034/8333. Die Preise liegen bei 19 Euro für den ersten und 17 Euro für den zweiten Platz. Frühzeitige Reservierung wird empfohlen – das Interesse ist groß, nicht nur wegen des besonderen Jubiläumsjahres.

Bericht und Fotos: Volkhard Steffenhagen

 

 

 


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Toni Hötzelsperger

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