Kirche

Erinnerungen eines bayerischen Weihbischofs, der aus Ruhpolding stammt

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Dr. Bernhard Haßlberger, geboren 1946  im Ruhpoldinger Ortsteil Urschlau und dort aufgewachsen im elterlichen Bauernhof ist Weihbischof im Erzbistum München und Freising und Bischofsvikar für die Seelsorgeregion Nord. Als Sohn des Chiemgaus kann er sich an Vieles erinnern, unter anderem an seine Mitwirkung beim örtlichen Trachtenverein „D´Rauschberger“ Zell. Bei einem Besuch im Dom seiner Wohn- und Wirkungsstätte Freising erzählte der Geistliche über sich, zur Kirche und zum gelebten Brauchtum und wir konnten ihm folgende Fragen stellen:

Frage: Wie waren Ihre Kindheit, Ihre erste Schulzeit und die Entscheidung, den priesterlichen Beruf einzuschlagen?

Vom Materiellen her gesehen war die Kindheit eher bescheiden. Die Eltern haben nach dem Krieg das Haus gebaut und es musste jeder Pfennig gespart werden. Es war aber eine unbeschwerte Kindheit und ganz Ruhpolding war unser Revier. In unserem Ortsteil waren auch eine ganze Reihe Kinder, so dass uns nicht langweilig wurde. Ich war 8 Jahre in der Volksschule. Ich hatte nie einen Schulstress, vor allem weil auf uns kein Druck lastete, etwas ganz Besonderes werden zu müssen, dann aber auch, weil ich in der Schule nicht schlecht war. In der 8. Klasse Volksschule war mir plötzlich klar, dass ich „Pfarrer“ werden will. Dieser Wunsch war so stark, dass er mich nie mehr los ließ.

Frage: An was erinnern Sie sich besonders gerne wenn Sie an die Begrüßungs-, Heimat- und Verabschiedungs-Abende im Ruhpoldinger Kurhaus als junger Trachtler denken?

Viele besondere Abwechslungen gab es ja damals für uns nicht. Die Abende für die Gäste, die wir als Kindergruppe mitgestalten durften, waren da schon ein großes Erlebnis. Vor dem vollen Saal auftreten und nachher Würstel als Brotzeit zu bekommen, ist mir bis heute in besonderer Erinnerung geblieben. Von diesen Erfahrungen und meinem Umfeld als Kind her bin ich bis heute mit der Trachtensache verbunden und Tracht und Brauchtum sind mir ein großes Anliegen. Wichtig dabei ist mir, dass es echt ist, etwas mit dem Leben zu tun hat. Andernfalls wird es zur Folklore.

Frage: Hatten Sie auch musikalische Ambitionen im Musikanten-Dorf Ruhpolding?

Musizieren war nicht so ganz meine Sache. Als Bub war ich bei den sogenannten Pfeiferlbuam des Trachtenvereins, d.h. wir Vier spielten einfache Querpfeifen. Hier war unser schönstes Erlebnis die Fahrt mit Wastl Fanderl nach Frankfurt zur Funk- und Fernsehausstellung. Wir durften dort auftreten in der Sendung „Bayerisches Bilder- und Notenbücherl“. Es war der Höhepunkt meiner Musikantenkarriere. Im Seminar habe ich dann noch Gitarre und Trompete gelernt, habe es aber bei beiden Instrumenten zu keinem Meister gebracht.

Frage: Ihre ersten Jahre als junger Priester, war diese mit den anvertrauten Jugendlichen von Lagerfeuer- und Gitarrenmusik-Romantik geprägt?

Ab 1977 war ich fünf Jahre Kaplan, zuerst in Dachau und dann in München/Moosach. Die Lagerfeuer-Romantik ging da schon zu Ende. Wenn wir ins Zeltlager fuhren, hatten wir zwar noch ein Lagerfeuer und sangen zur Gitarre, aber es war nicht mehr so prägend wie noch einige Jahrzehnte vorher.

Frage: Ihr Vater und weitere Angehörige waren Holzknechte, was prägte deren Leben und Alltag?

In erster Linie war es eine harte und gefährliche Arbeit. Als Ministrant bei einer Beerdigung ging mir bei der Fürbitte „Wir beten für den aus unserer Mitte, der dem Verstorbenen als erster vor das Angesicht Gottes folgen wird“ immer durch den Kopf, welcher Holzknecht das wohl sein wird. Den größten Teil des Jahres war unser Vater von Montag früh bis Freitag abends auf dem Berg. Er übernachtete in einer Hütte am Berg. Das bedeutet, dass zum größten Teil unsere Mutter Erziehende war. Sie musste sich um uns, das Haus und die Feriengäste kümmern. Sie war also gut ausgelastet. Mit uns war es auch nicht immer leicht, denn wir waren natürlich auch Lausbuben.

Frage: Ruhpolding war ja zu Ihrer Kinderzeit ein besonders gefragter Urlaubsort – wie war das bei Ihnen Zuhause?

In unserem Haus konnten wir bis zu 8 Gäste haben. In der Hauptsaison waren die Zimmer alle belegt, d.h. wir mussten schon zusammenrücken. An ein eigenes Zimmer war früher nicht zu denken. Es spielte sich alles im Wohnzimmer ab. Es war für die Gäste auch der Aufenthaltsraum. Das was sozusagen Sommerfrische mit Familienanschluss. Rückblickend muss ich aber sagen, dass die Gäste auch eine Bereicherung waren. Wir haben von ihnen viel Neues erfahren und viele von ihnen haben mit uns auch immer wieder etwas unternommen.

Frage: Welche Aufgaben als Weihbischof haben Sie heute?

Als Weihbischof bin ich mit unserem Herrn Kardinal und anderen in der Leitung der Diözese, was z.B. eine Reihe von Sitzungen erfordert. Dazu bin ich für die sogenannte Region Nord in unserer Diözese zuständig, das ist der nördliche Teil von Oberbayern und der Teil von Niederbayern, welcher zu unserer Diözese gehört. Von daher bin ich oft in den Pfarreien aus den verschiedensten Anlässen: zu Visitationen, bei Konflikten, wenn eine Schlichtung notwendig ist, in der Region habe ich im Jahr auch etwa 60 Firmungen und natürliche auch andere Gottesdienste, vor allem zu Festen und Jubiläen. Dazu bin ich Beauftragter der Bayerischen Bischofskonferenz für die Polizeiseelsorge. Für die Deutsche Bischofskonferenz bin ich in der Kommission „Weltkirche“ und in der für „Gesellschaftliche Fragen“. An Arbeit mangelt es nicht. Da ich aber ganz tüchtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe, kann ich das auch gut schultern.

Frage: Der Virus Corona hat viel verändert, auch in der Kirche, wie ist Ihr Blick nach vorne?

Wie gesellschaftlich habe auch kirchlich der Virus das Meiste durcheinandergewirbelt. Wie es genau weitergeht, weiß ich nicht. Aber eines ist für mich klar: Nach Corona wird so manches anders sein. Ein zurück vor Corona wird es so nicht geben. Von daher müssen wir gut überlegen, was das für uns bedeutet. Wie müssen wir in Zukunft unsere Gottesdienste gestalten? Wie gelingt es uns, näher zu den Menschen zu kommen? Wie muss unsere Verkündigung aussehen, damit die Menschen spüren, dass der Glaube etwas mit dem Leben, mit dem Sinn des Lebens zu tun hat?

Frage: Wie halten Sie sich fit für die vielen Aufgaben und wo machen Sie Urlaub?

Nach dem Aufstehen steige ich aufs Fahrrad (Hometrainer) und radle etliche Kilometer. Im Urlaub bin ich meist in Ruhpolding bei meinem Bruder und der Schwägerin. Da kann ich einfach der „Bernei“ sein, wie mich die Ruhpoldinger nennen. Von da aus machen wir, d.h. mein Cousin und ich, Bergtouren. Früher waren sie schneidiger, wie z.B. Dolomiten, Pyrenäen, Hohe Tatra und Julische Alpen, um nur einige zu nennen. Mein höchster Gipfel war der Mont Blanc, schon ein besonderes Erlebnis. Heute machen wir kleinere Bergtouren, einfach was wir noch gut schaffen können. Wichtig ist, dass es Freude macht.

Frage: Was bedeuten Ihnen Fußball und Schafkopfen?

Während meiner Zeit im Seminar haben wir natürlich in der Freizeit Fußball gespielt. Ich war Torwart. Unsere Klasse wurde sogar mit mir im Tor einmal Schulmeister. Dabei haben wir im Halbfinale die Klasse mit Paul Breitner besiegt. Auch ein besonderes Erlebnis. Jetzt bin ich nur noch Bayernfan, und das schon seit gut 60 Jahren. Schafkopfen tue ich gerne. Wir haben eine feste Runde, aber öfter kann ich auch in anderen mitspielen, einmal hatte ich sogar einen so genannten „Sie“. Seit Corona müssen wir pausieren.

Frage: Sie waren zugegen in Holzhausen als dort die Standarte des Bayerischen Trachtenverbandes geweiht wurde – was geben Sie den bayerischen Trachtlerinnen und Trachtlern mit auf den Weg?

Wie ich oben schon gesagt habe, stehe ich mit Freude und Überzeugung hinter der Trachtensache. Wichtig ist aber, dass es echt ist. Das bedeutet nicht, dass alles wie vor hundert Jahren sein muss. Auch Tracht und Brauchtum haben sich im Laufe der Zeit verändert. Brauchtum und Tracht müssen aus dem Herzen kommen, sonst ist es Folklore.

Frage: Holzhausen liegt ja in Ihrem Zuständigkeitsgebiet als Weihbischof und sie kennen es, wie ist Ihre persönliche Einschätzung und Meinung zu diesem Objekt?

Ich kenne Holzhausen sehr gut. Zunächst war das Areal auch der Pfarrhof. Dass die Bayerischen Trachtenverbände es übernommen und mit viel Liebe und Engagement es renoviert und ausgebaut haben, ist ein Glücksfall. An diesem Engagement merkt man, dass Viele dahinterstehen und es ein gelungenes Werk ist. Ich wünsche den Einrichtungen in Holzhausen weiterhin ein gutes Gelingen, viel Erfolg und Gottes Segen.

Frage: Der Bayerische Trachtenverband hat mit Unterstützung der Erzdiözese und des Festrings München vor einigen Jahren ein Liedheft herausgegeben, auch da waren Sie persönlich beteiligt – hat sich dieses Heft bewährt?

Soweit ich es sehe, hat es sich gut bewährt. Bei besonderen Anlässen ist es im Gebrauch. Es ist ein Schatz von heimatlichen Liedern und geeignet dieses Liedgut zu pflegen und es zu verbreiten. Auch hier kann ich nur wünschen, dass dies von Erfolg gekrönt ist. Die Gefahr, dass in unserer schnelllebigen Zeit diese Lieder verlorengehen, ist ja sehr groß.

Vielen Dank, Herr Weihbischof, für das Gespräch.

Das Interview führte Anton Hötzelsperger

Fotos: Hötzelsperger

  • Porträt Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger
  • Von links: Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger mit Max Bertl, Andreas Hilger und  Erich Tahedl   vom Bayerischen Trachtenverband
  • Festzug anlässlich der Standartenweihe des Bayerischen Trachtenverbandes in Holzhausen
  • Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger bei der Standartenweihe in Holzhausen
  • Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger mit Anton Hötzelsperger vom Bayerischen Trachtenverband

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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