Kultur

Elisabeth Kronseder: Frauenbilder – gestern und heute

Viele Themen in den Medien bieten aktuell Anlass zu Diskussionen, wie es um die Gleichberechtigung (bzw. Gleichbehandlung) von Frau und Mann bestellt ist. Macht man einen Zeitsprung zu den Anfängen der Frauen im deutschen Kunstbetrieb, befindet man sich im Jahr 1922, als die bisher männlich dominierte Gesellschaft einen revolutionären Entwicklungsprozess erfährt. Konkret war seit 1919 das Wahlrecht für Frauen in der Weimarer Verfassung verankert worden. Im Zuge dessen eröffneten sich erstmals neue Chancen im Bereich Bildung und Berufswahl – und somit auch alternative Lebensentwürfe. Vorwiegend war dies zunächst eine Errungenschaft des Bildungsbürgertums, wurde dort doch schon im Privaten der Unterricht von Mädchen gefördert.

Davon profitierte auch die aufstrebende Künstlerin Elisabeth Kronseder, die zur „verschollenen Generation” gezählt werden kann. Aus gutsituiertem Hause in Braunschweig stammend, wurde das vielfach interessierte Mädchen früh von den Eltern in ihren Talenten gefördert. Sie musste sich nur – so scheint es – zwischen ihrer Liebe zur Musik und der zur bildenden Kunst entscheiden.

Was heute als selbstverständlich gilt, nämlich dass Frauen überhaupt Zugang zu staatlichen Bildungseinrichtungen haben, war damals zwar nicht mehr undenkbar, stieß aber bei den männlichen Kollegen anfangs auf wenig Gegenliebe.

Kommentare wie „Wir wollen keine Malweiber” oder „Man sollte ein Hobby nicht übertreiben” finden sich als Zitate im sorgfältig recherchierten und informativen, jedoch sofort vergriffenen Ausstellungskatalog zu „Frau darf – 100 Jahre Künstlerinnen an der Akademie München” von September 2021 im Museum Fürstenfeldbruck. Erfreulicherweise ist die Dokumentation noch online verfügbar. Elisabeth Kronseder hat eine der ersten Bildhauerklassen in München besucht und sich als „raumgreifendes Talent” entwickelt, wie es heißt.

1933 übersiedelte die Familie von München ganz auf den 1917 erworbenen Peterhof in Friesing. In diesem kleinen Weiler fand sie bis in ihr hohes Alter von über 100 Jahren ihre Wohn- und Arbeitsstätte. Hier führte sie einerseits ein zurückgezogenes, andererseits ein geselliges Leben in unterschiedlichen Rollen: Als Ehefrau und Mutter, 25 Jahre Führung des Peterhofs als Kinderheim sowie als vital-kreativ engagierte Künstlerin.

Vor allem die Bildhauerei und Malerei verfolgte sie konsequent. Vorrangig nicht aus dem Bedürfnis, gesellschaftliche Konventionen zu sprengen – revolutionäres Bestreben war ihr fremd. In ihren Werken spiegelt sich stattdessen ein Kunstverständnis, das auf Traditionen aufbaut und ihrer Lebensauffassung entsprach. Religiöse Motive bestimmen die Skulpturen und Plastiken, biblische Stoffe gehörten zu ihrem Einmaleins, das sie immer wieder als Thema aufgriff und variierte. Ebenso bekannt sind ihre Portraits von Erwachsenen und Kindern wie z.B. das abgebildete Ölbild „Marai“ in dem ihr Interesse am Gesichtsausdruck eines Menschen sichtbar wird.

Im Alter von 73 Jahren erregte sie bei den Nachbarn Aufsehen, als sie ein neues Werkzeug für ihr Atelier in Betrieb nahm. Von dem Lärm angelockt, der stetig nach draußen drang, schaute der Nachbar vorbei und fragte, ob „die Kronsederin“ heute den Staubsauger für einen Großputz verwenden würde. Was für ein Erstaunen als er die figürlich eher zart wirkende ältere Dame mit einem kürzlich erworbenen Presslufthammer an einer Marmorskulptur erblickte. „A Luada bist scho“ war sein lakonischer Kommentar.

Heute gelten Frauen im Kunstbetrieb nicht mehr als Ausnahmeerscheinungen. Auch in vielen anderen Bereichen erfreuen sie sich einer hohen Medienwirksamkeit. So waren gleichermaßen weibliche, wie männliche Zuschauer im Juli und August dieses Jahres fasziniert von der Frauen-Fußball-EM und begeisterten sich für die so erfolgreiche deutsche Mannschaft. Die Fußballerinnen wurden 2022 öffentlich geehrt durch einen Empfang im Rathaus Frankfurt im Römer. Die Bildhauerin und Malerin Elisabeth Kronseder wurde 1974 geehrt durch den Bayerischen Verdienstorden am Bande und erhielt 1985 die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Samerberg.

Text: cl – Bilder: re

Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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