Leitartikel

Der etwas andere Trachtlerjahrtag in Hohenaschau im Chiemgau 

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Bayerns drittältester, 1884 gegründeter und derzeit 520 Mitglieder starke Trachtenverein „D´Griabinga“ Hohenaschau hat sein traditionelles Gedenken an die gefallenen, vermißten und verstorbenen Vereinskameraden heuer wegen der Corona-Krise nicht ausfallen lassen, sondern einfach anders gestaltet. Dem Appell von Erstem Vorstand Claus Reiter, zu der Stunde, als gewöhnlich am Samstag nach Christi Himmelfahrt der Jahrtag gefeiert wird, zündeten die Mitglieder in ihren Häusern Kerzen an, deren Lichter in Richtung Schloss und Schlosskapelle ausstrahlten.

Die Idee des Kerzen-Jahrtages kam der Vorstandschaft bei den Überlegungen, was den Mitgliedern mitgeteilt werden soll zum derzeit veränderten Vereinsleben. „Dabei wollten wir nicht nur mitteilen, dass unsere Veranstaltungen wie Starkbierfest oder Vereinspreisplatteln ausfallen, sondern etwas Verbindendes herstellen. Wie gut der Gedanke des gemeinsamen und getrennten Gedenkens ankam, zeigte sich gleich nach unserem Rundbrief, viele und gerade auswärtige Mitglieder lobten die Aktion“ – so  Vorstand Claus Reiter,  der die praktische Umsetzung zusammen mit seinem Bruder und Vereinskassier Herbert Reiter organisierte. Claus zündete um die vereinbarte Zeit um 19 Uhr in der Schlosskapelle symbolisch für den Verein ein Licht an, dabei verwendete er eine Kerze aus dem Jahr 2009 als der Hohenaschauer Trachtenverein seinen 125. Geburtstag hatte. Zeitgleich ließ in der Schlosskapelle Herbert Reiter per Hand und mit zwei Stricken die ins Priental hinausklingenden Glocken läuten. Weil es bei den vormaligen Jahrtagen so der gute Brauch war, dass sich der Verein mit Ansprache des Ersten Vorstands nach dem Gottesdienst in der Schlosskapelle am nahen Grab der Gönner-Familie von Cramer-Klett einfindet, statteten die Brüder Reiter auch an diesem Abend dieser Grabstätte einen Besuch ab. „Der normale Jahrtag, der immer um den 22. Mai, dem Gründungstag des Vereins stattfindet, hatte bislang einen anderen Verlauf; dieser war geprägt vom Treffpunkt beim Cafe Brucker, unserem Vereinslokal, vom Kirchenzug, Gottesdienst, von-Cramer-Klett-Gedenken und anschließendem Hoagascht im Cafe Brucker. Heuer ging das nicht, aber die Not-Form war mehr als ein Ersatz, es war stark beeindruckend.“ – so Claus Reiter. Wie viele Mitglieder und auch Nicht-Mitglieder, die vom Aufruf hörten und sich der Kerzen-Aktion angeschlossen haben, kann er zwar nicht genau sagen, aber es waren sehr viele aufgrund der Rückmeldungen hernach.

Erinnerungen als letztmals die Schlosskapellen-Glocken „durchläuteten“

Auch Rosemarie Anner als langjähriges Vereinsmitglied, die zu Füßen von Schloss Hohenaschau und nahe dem Cafe Brucker in der Schlossbergstraße wohnt, zündete an ihrem Fenster eine Kerze an. Als die Glocken der Schlosskapelle erklangen, wurden in ihr Erinnerungen wach und sie weiß zu erzählen: „Früher war es Brauch, dass das Geläut ertönte, wenn im nahen Ortsteil Bach Jemand verstarb. Wenn der Sarg dann   auf dem sogenannten Kirchenweg zusammen mit den Angehörigen zum Aschauer Friedhof gebracht wurde, dann ertönten die Glocken so lange wie der Trauerzug mit dem Schloss in Sichtverbindung war. Das letzte Mal, dass die Glocken für einen Toten durchgeläutet haben war Mitte der Fünfziger Jahre für einen Kaspar Stadler aus Bach“. Für Rosemarie Anner war das Gedenken mit Kerzen etwas besonders Berührendes, gerade weil vor wenigen Monaten ihr Mann Franz verstarb und weil all ihre Familienmitglieder mit dem Trachtenverein Hohenaschau eng verbunden sind. Für Vorstand Claus Reiter hat das Vereinsjahr durch Corona einen vollkommen neuen Verlauf genommen, nicht nur, dass die Proben, Zusammenkünfte und Veranstaltungen für die Sommerzeit abgesagt sind. Große Vorfreude herrschte bereits, weil der GTEV Hohenaschau Göd beim GTEV Bergen ist und damit beim großen Gaufest des Gauverbandes I in Bergen schön mitgefeiert hätte. „Für dieses Fest haben wir bereits mit den Trachtenvereinen von Vachendorf und Grabenstätt, bei denen die Bergener Trachtler Pate sind, ein gemeinsames Fahnenband angeschafft. Hoffen wir, dass wir die feierliche Übergabe nachholen können“ – so Vorstand Claus Reiter, dessen weitere Hoffnung noch ist, dass der letzte für heuer geplante Heimatabend am 2. Oktober in der Aschauer Festhalle doch noch stattfinden kann.

Fotos: Herbert Reiter –    Beispiele der Gedenkkerzen beim etwas anderen Jahrtag der Hohenaschauer Trachtler – Vorstand Claus Reiter allein in der Schlosskapelle – Kassier Herbert Reiter ließ die Glocken der Schlosskapelle erklingen.

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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