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Cosmic Kiss – Der Marathon der Schwerelosigkeit

Seit dem 12. November 2021 leben und arbeiten der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer sowie seine NASA-Kolleginnen und Kollegen Kayla Barron, Raja Chari und Thomas Marshburn auf der Internationalen Raumstation ISS. In diesen drei Wochen hat der Saarländer schon viel erlebt. “Nach einem etwas holprigen Start mit widrigen Umständen wie mehrmaligen Startverschiebungen und Sicherheitsvorkehrungen, weil Trümmerteile der ISS zu Nahe kamen, ist die `Cosmic Kiss‘-Mission jetzt erfreulicherweise voll im Zeitplan. Matthias Maurer hat in den ersten drei Wochen ein starkes Tempo vorgelegt und etwas Zeit wieder reingeholt. Das ist sehr wichtig, weil die Arbeitszeit der Astronauten – die sogenannte Crewzeit – auf der ISS eine besonders wertvolle Ressource ist. Sie wird für Forschung, Nachwuchsförderung und Wartungsarbeiten gebraucht. All das hat Matthias bereits in den ersten drei Wochen erledigt”, betont Volker Schmid, “Cosmic Kiss”-Missionsleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.

Cosmic Kiss – Gut unterwegs im Wissenschaftsmarathon

Einen wahren Wissenschaftsmarathon aus rund 100 internationalen Experimenten – 36 davon aus Deutschland – soll Matthias Maurer während seiner “Cosmic Kiss”-Mission absolvieren. Bereits in den ersten drei Wochen hat der Saarländer an acht deutschen Experimenten gearbeitet. So hat er zum Beispiel im Experiment Thermo-Mini einen neuen miniaturisierten Temperatursensor getestet, um die Veränderung der Körpertemperatur und die zirkadiane Rhythmik bei Langzeitaufenthalten im Weltall zu untersuchen. So werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem sogenannten “Space Fever” als potenzielle Gefahr für die Gesundheit der Astronautinnen und Astronauten – vor allem bei Sport und Außenbordeinsätzen – auf den Grund gehen. Mit Atemgas-Analysen wird im Experiment MetabolicSpace unter anderem die Leistungsfähigkeit von Matthias Maurer untersucht und die Technologie weiter ausgetestet.

Das tragbare System schränkt dabei seine Beweglichkeit nicht ein, so dass er frei und ungehindert trainieren kann. Die ersten beiden Durchläufe hat der promovierte Werkstoffwissenschaftler schon erfolgreich absolviert. Auch ein wichtiger Baustein für die körperliche Fitness sind Untersuchungen zum Zustand von Muskeln- und Knochen. Im Experiment Myotones haben Matthias Maurer und Thomas Marshburn nicht-invasiv Tonus, Elastizität und Steifigkeit ihrer Skelettmuskeln mit Hilfe eines kleinen Handgeräts gemessen und bewertet, um auf diese Weise zur Entwicklung von Gegenmaßnahmen zu Muskel- und Knochenschwund beizutragen. Mit einer Augenlinse aus dem klinisch-diagnostischen Routinebetrieb und einem Tablet hat Matthias Maurer im Projekt Retinal Diagnostics Bilder seiner Netzhaut aufgenommen, um Augenveränderungen und -bewegungen zu erkennen und dem sogenannten Spaceflight Associated Neuro-ocular Syndrome (SANS) auf den Grund zu gehen.

Außerdem hat der deutsche ESA-Astronaut für das Experiment Dosis 3D Mini alle Sensoren im europäischen Columbus-Modul sowie in den Verbindungsknoten Node 1 und 3 sowie im Aussichtsmodul Cupola angebracht. Mit den winzigen Messeinheiten soll der Strahlungsbelastung innerhalb der Raumstation auf den Grund gegangen werden. Für das Experiment Touching Surfaces hat Matthias Maurer neuartige Oberflächen auf deren antimikrobielle Wirksamkeit unter Weltraumbedingungen untersucht und getestet. Denn Langzeitaufenthalte in einer Raumstation führen dazu, dass sich aus den mitgeschleppten Mikroorganismen eine eigene Mikroflora entwickelt, die die Gesundheit an Bord beeinträchtigen kann.

Moderne Werkstoffe nach Maß – beispielsweise für neuartige und leichtere Flugzeugturbinenschaufeln und Motorgehäuse – werden in einem ganz besonderen Schmelzofen im All entwickelt. Für diese Forschung hat Matthias Maurer bereits 19 Schmelz- und zwei Kalibrationszyklen im sogenannten Elektromagnetischen Levitator (EML) ausgeführt. Zu guter Letzt hat der Saarländer mit den Vorbereitungen zum Elektro Muskel Stimulation (EMS)-Projekt begonnen. Hier testet er ab dem 6. Dezember 2021 einen neuen Anzug, der Astronautinnen und Astronauten zukünftig vielleicht beim Training unterstützen soll. “Matthias Maurer hat insgesamt bei den Experimenten ein immenses Tempo vorgelegt und auf seinem Wissenschaftsmarathon trotz zusätzlicher Hindernisse deutlich Strecke gemacht. Das ganze Team hat hier sehr gut zusammengearbeitet und alles ist gut im Zeitplan. Wir freuen uns auf die weiteren Monate der Mission”, fasst Volker Schmid den Fortschritt der Mission im Bereich Forschung zusammen.

Cosmic Kiss – Zeit für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von morgen

Eigentlich sollte am 2. Dezember 2021 ein Kontakt ganz besonderer Art stattfinden: Matthias Maurer hätte mit der Wolfgang Kubelka Realschule (WKR) in Schondorf und der Beruflichen Schule Direktorat 1 in Nürnberg in Funkkontakt treten und bis zu 20 Fragen der wissensdurstigen Schülerinnen und Schüler beantworten sollen. Doch eine Umplanung führte dazu, dass dieser sogenannte ARISS-Call nun verschoben werden muss. So wird das DLR_School_Lab in Braunschweig – eines von insgesamt 15 Schülerlaboren des DLR – am 10. Dezember 2021 der erste dieser Kontakte sein. “Wir freuen uns schon riesig auf diesen Austausch. Ich mache das jetzt schon zum dritten Mal und es ist immer wieder schön, die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler zu spüren, wenn sie über Funk dem Astronauten ihre Frage stellen dürfen”, freut sich Frank Fischer, Leiter des DLR_School_Labs in Braunschweig.

Außerdem hat Matthias Maurer schon seine ersten beiden sogenannten Inflight Calls absolviert. Beim ersten am 19. November 2021 hat er live zu den Vertretern des ESA “Intermediate Ministerial Meetings” (IMM21) – einer kleinen ESA-Ministerratskonferenz – in Porto gesprochen. Beim zweiten hat er Fragen von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern im Planetarium in Bochum beantwortet. Die Aktion des European Space Education Ressource Office (ESERO), das an der Ruhr-Universität in Bochum zuhause ist, wurde per Livestream an alle interessierten Schulen und Planetarien in Deutschland übertragen.

Cosmic Kiss – ein Weltraumausstieg und ein neues Dockingmodul

Eigentlich sollte am 30. November 2021 der erste Außenbordeinsatz (Extra Vehicular Activity, EVA) während der “Cosmic Kiss”-Mission stattfinden. Die US-Astronauten Thomas Marshburn und Kayla Barron sollten die Raumstation für sechseinhalb Stunden verlassen, um eine defekte Funkantenne zu ersetzen. Doch wegen einer Sicherheitsmeldung zu sich nähernden Weltraumtrümmern musste der Einsatz abgesagt und auf den 2. Dezember 2021 verschoben werden. Die Crew arbeitete sehr schnell und effizient. Bereits zur Halbzeit lagen die Astronauten mehr als eine Stunde vor dem Zeitplan.

Matthias Maurer leistete bei diesem Einsatz von der ISS aus mit dem Roboterarm Canadarm2 Unterstützung für seine beiden Crewmitglieder. Außerdem wurde ein neues, russisches Modul an der ISS angebracht, das zusammen mit dem ebenfalls neuen Element Nauka einen weiteren Dockingknoten bildet. “Prichal wurde am 26. November 2021 auf einem Progress-Transporter automatisch an die Raumstation angekoppelt und bietet nun fünf neue Andockpunkte. Auch Weltraumausstiege sind von dem neuen Knoten aus möglich. Damit ist die ISS also wieder ein Stück flexibler geworden”, erklärt DLR-Missionsmanager Volker Schmid.

Cosmic Kiss – Was kommt als Nächstes?

Am 6. und 7. Dezember 2021 soll CIMON, das in Deutschland entwickelte und weltweit einzigartige intelligente Astronautenassistenzsystem ausgepackt und nach langer Pause wieder getestet werden. Dabei handelt es sich noch nicht um einen wissenschaftlichen Einsatz, sondern um einen Funktionstest. Denn der freifliegende Roboter hatte zuletzt Anfang Februar 2020 mit Luca Parmitano gearbeitet. CIMON wird später in der Mission noch ein wichtiges Softwareupdate bekommen, bevor er dann im April 2022 mit neuer Software ausgestattet, Matthias Maurer unterstützen soll.

Bericht und Fotos: Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum

Layout: Egon Lippert (www.lippert-egon.de)

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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