Gesundheit & Corona

Corona-Tagebuch: Handwerker und Händler harren

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Aus dem Corona-Tagebuch von Karl Stankiewitz vom 15. Februar:   Jetzt wird er ja doch ein bisschen gelockert, der Lockdown. Wenn man das Furcht erregende Wort in der angewöhnten Mischsprache Denglisch übersetzt, könnte es auch heißen: Runter mit den Locken! Ja, die rund 240 000 deutschen Friseure sind systemrelevant geworden, sie dürfen uns ab 1. März wieder mit Kamm, Schere und allerlei Wässerchen verschönern. Da bin ich aber froh. Zwei Monate lang habe ich Meister Martin fast schmerzlich vermisst. Das erkennt man am Haupthaar. Um es etwas zu lichten, bin ich mehrmals mit dem Elektrorasierer reingefahren. Gut, als Mann ist man diesbezüglich nicht gar so eitel. Wie aber haben die anspruchsvolleren Damen ihre Lockenpracht über das nicht gelockerte Lockdown gerettet? Liegt es nur an der Kälte, dass so viele Frauen ihre Schöpfe derzeit mit Hüten bedecken?

Während etwa 240 00 Hair-Stylisten und Beauty-Saloons der Republik (8000 sind es in München) dank politischem Beschluss wieder das Schild „Open“ aushängen dürfen und dies einen sonderbaren Medienwirbel auslöst, raufen sich viele andere ausgesperrte Handwerker und Händler die Haare. Immer mehr Lobbyisten reihen sich in die Schlange an der Corona-Klagemauer. Sie harren einer magischen, von der Kanzlerin höchst selbst vorgegebenen Zahl: 35. Erst dort, wo diese Inzidenzgrenze zwei Wochen lang gehalten wird, darf weiter gelockert werden. Worauf einige Branchen bis an den Rand der Verzweiflung harren.

Zum Beispiel die den Haarschneidern verwandten Kosmetikerinnen. Für sie scheint die Mahnung von Markus Söder, gepflegtes Äußeres sei „eine Sache der Würde“, noch nicht zu gelten. Da müssen halt die Kundinnen noch eine Inzidenz-Periode länger warten, bis ihre Nägel wieder gekürzt und ihre Wimpern wieder verlängert werden von fachkundiger Frauenhand. Oder die Blumenhändler, denen die nach wie vor geöffneten Supermärkte das Geschäft klauen. Einige Floristen haben nun am Valentinstag, ihrem wichtigsten Geschäftstermin außer den großen Feiertagen, per „Click and collect“ (online bestellen, zahlen und abholen) wieder ein paar Blumengebinde verkaufen können.

Allzu arg gebeutelt fühlen sich auch die Textilhändler. Ihre Ware ist ja der stets wechselnden Mode und jahreszeitlichen Gegebenheiten unterworfen, ihr Geschäft desgleichen. Mindestens zwei renommierte Münchner Modekonzerne melden einige Misere: Willy Bogner, spezialisiert auf Sportbekleidung, muss seine Firmenzentrale verkaufen. Bei Lodenfrey, eher spezialisiert auf Tracht, sind 70 Prozent des Vorjahrsumsatzes weggebrochen, weil halt auch das Oktoberfest, kleinere Feste und sogar Hochzeiten ausgefallen sind. Um ihre Existenz bangen auch die Fahrlehrer. Seit 9. Dezember, als die Münchner Inzidenz auf 200 geklettert war, dürfen sie keinen Fahrunterricht mehr erteilen, auch nicht digital wie die Schulen, das würde ihr Verband nicht erlauben. Da somit auch keine Führerscheine mehr erteilt werden, ergibt sich die eher positive Tendenz, dass die Zahl der Autofahrer im längst überlasteten Stadtverkehr vorerst stagniert. Steigen also noch mehr Münchner – trotz Kälte und Schnee – aufs umweltfreundliche Radl um? Schön wär’s, doch auch ihnen droht der Corona-Wahn. Die CSU-Fraktion im Rathaus möchte nämlich das Radeln auf den Hauptwegen des Westparks verbieten lassen, weil sie Aerosole auswerfen und somit Spaziergänger gefährden könnten.

So leiden wir leider alle an diesem verdammten Lockout, der eine mehr, der andere weniger.

Bericht: Karl Stankiewitz   – Foto: Hötzelsperger – KfZ-Handwerk in Prien-Urschalling

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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