Brauchtum

Chiemgauer Schuhplattler-Erinnerungen – von der Olympiade in München bis Berlin

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Wer im Chiemgau gut Schuhplatteln kann, der kann was erleben“ – frei nach diesem Motto erinnert sich Toni Bauer aus Schörging (Gemeinde Bernau) vom Trachtenverein „Almrausch“ Hittenkirchen an bedeutsame Auftritte. Als Gründungsmitglied der Gaugruppe des Chiemgau-Alpenverbandes für Tracht und Sitte war er mit dabei, als 1961 eine Plattler-Gruppe aus den Reihen des 23 Trachtenvereine umfassenden Gauverbandes zusammengestellt wurde, um in München für das „Münchner Fernsehen“ (heute Bayerischer Rundfunk) aufzutreten.

„Da gab es sehr viele und auch konträre Diskussionen als nach Vermittlung von Forstmeister und Volkstanzwart Georg von Kaufmann ein Auftritt für den Komödienstadel angefragt wurde. Letztlich wurde dem Ansinnen von der Gauvorstandschaft mit Gauvorstand Sepp Perl aus Staudach zugestimmt und der Auftritt war ein großer Erfolg. Die Leitung von zwei Auftritten von zehn Plattlern und zwei Trachtendirndl lag in den Händen von Hubert Haas aus Hohenaschau, er wurde kurz darauf bei der Gau-Frühjahrsversammlung zum Ersten Gauvorplattler gewählt“ – so Toni Bauer. Acht Jahre später, im Jahr 1969 kam abermals eine spannende Anfrage aus München in den Chiemgau. Damals wurden erste Gespräche über eine Teilnahme von   Trachtlern aus den Reihen des Bayerischen Trachtenverbandes am Rahmenprogramm bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München geführt, dazu weiß Bauer zu berichten: „Vorgesehen waren neben Auftritten im Circus-Krone-Bau und im Deutschen Theater als Höhepunkte und besondere Auszeichnung die Teilnahme an den Eröffnungs- und Schluss-Feierlichkeiten. 37 Dirndl und 36 Buam des Chiemgau-Alpenverbandes hatten sich in 14 Proben für die Auftritte mit der Blaskapelle Bernau vorbereitet für die Auftritte zusammen mit den Trachtlern aus den Reihen des Gauverbandes I“. Wie stolz damals die Chiemgauer Trachtler waren, machte der damalige Gauvorstand Sepp Schlagbauer aus Unterwössen deutlich als er in der Gauversammlung sagte: „Bei der Olympiade ist Bayern das Schaufenster für die Welt, die Trachtler sind das Aushängeschild“. Generalprobe und Auftritt im weiten Rund des Olympiastadions zusammen mit weiteren Trachtlerinnen und Trachtlern aus den Reihen des Gauverbandes I waren für alle beteiligten Dirndl und Buam ein ungewohntes und bleibendes Erlebnis.

Die neu gegründete Gaugruppe des Chiemgau-Alpenverbandes kam nicht nur zu Auftritten bis nach München, sondern sogar bis nach Berlin. Im Jahr 1961 – so Toni Bauer – war ein Bayerischer Abend in der Kongresshalle für Mitte August vereinbart, das war nur wenige Tage nach dem Bau der Mauer. „Das war eine besondere Situation, politisch hoch-brisant und voller Ungewissheiten. Über Gauvorstand Sepp Perl kam der Auftritt mit komplett bayerischen Gruppen zusammen, bei vielen Berlinern, die mit Bayern durch Urlaube befreundet waren, flossen Tränen“ – so der Rückblick auf eine Fahrt mit Hindernissen, denn an der neuen Grenze gab es gehörig strenge Kontrollen, die viel Geduld verlangten. Noch im Oktober desselben Jahres waren Chiemgauer Plattler abermals in Berlin, diesmal anlässlich der Internationalen Funkausstellung. Die Chiemgauer Plattler waren zu damaliger Zeit auch zu weiteren Internationalen Kongressen in München oder zu einem Bezirksmusikfest in Garmisch-Partenkirchen eingeladen. „Einmal waren wir in Bad Godesberg mit der Musik `Die Lustigen Achentaler`, als wir nach dem Auftritt in unserem Hotel noch für uns aufspielten und plattelten, war geschwind die vorher leere, aber große Hotelhalle von begeisterten Zuhörern gefüllt. Der damalige Trompeter Edi Ager legte stundenlang sein Instrument nicht mehr aus der Hand“ – so eine der vielen Erinnerungen.

1959 als „Strohlandler“ plötzlich kein Unbekannter mehr – Für das aktive Plattlen hielt sich Toni Bauer unter anderem mit Bergsteigen fit, so waren die Berchtesgadener Alpen, das Matterhorn und der Mont Blanc des öfteren sein Ziel. Auch das Zillertal hatte es ihm angetan, dort aber nicht nur der Berge wegen, sondern auch wegen eines Gamsbartbinders, von dem er mit 20 Jahren zum Preis von 190 Mark einen stattlichen Gamsbart holte und der ihn auch bei Trachtenveranstaltungen, Umzügen und Preisplatteln schmückte. Zu den Preisplatteln erinnert er sich gut und gerne wie folgt: „Mein erstes Gaupreiplatteln war 1957 in Amerang, von 1960 bis 1963 war ich viermal hintereinander Zweiter, Hubert Haas zu schlagen aber gelang mir nicht, nur einmal und zwar 1960 in Grassau kam ich bis zum sogenannten Rittern um Platz eins, da waren wir gar vier Plattler mit gleicher Punktzahl, letztlich siegt aus diesem Quartett Sepp Hell aus Marquartstein!“. Wie er weiter und schmunzelnd erzählte, waren zu damaliger Zeit die besten Plattler aus den Vereinen rechts von der Autobahn München-Salzburg, er als Hittenkirchener Bewohner links der Autobahn war einer der sogenannten „Strohlandler“. Als Toni Bauer 1959 beim Gaupreisplatteln in Sachrang einen vierten Platz erreichte war er plötzlich kein Unbekannter mehr, vor ihm waren die Marquartsteiner Franz und Sepp Hell sowie der Unterwössner und spätere Gauvorstand Otto Dufter. Für Toni Bauer war Schuhplatteln nicht nur eine sportliche Herausforderung, die einfach mal Konjunktur hatte. Vielmehr hielt er sich an den Spruch: „Chiemgauerisch Plattln, Mit Stoiz, Kraft und Schneid, Mit G´spür und mit Feinheit – Überdauert de Zeit!“.

Repros: Hötzelsperger – 1. Toni Bauer; Jahrgang, 1940  als 20jähriger Trachtler und stolzer Träger eines Gamsbartes aus dem Zillertal.    2.  1961: Auftritt der Chiemgauer Plattlergruppe beim Komödienstadel in München 3. Gaupreisplatteln 1965 in Niederaschau – 4. Auftritt bei der Olympiade 1972 in München anl. der Eröffnungsfeier (Aufnahmen Gauverband I).

Olympiade-Erinnerungen vom Gauverband I:

Wie Hildegard Kallmaier vom Gauverband I als Schriftführerin vom Sachgebiet Volkstanz und Schuhplattler beim Bayerischen Trachtenverband zur Olympiade zu berichten weiß, ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­traten bei der Eröffnungsfeier die Plattler des Gauverbandes I mit der Kreuzpolka zu den Klängen der Blaskapelle Ruhpolding auf, außerdem ließen sich die Aperschnalzer aus dem Rupertiwinkl lautstark hören.   Die aktiven Dirndl fungierten bei der Eröffnungsfeier als charmante Begleitung beim Auszug der Olympischen Fahne aus dem Olympiastadion (vorher Übergabe der olympischen Fahne von Mexiko an München, die dann 4 Jahre in München aufbewahrt wurde und 1976 – ebenfalls mit trachtlerischen Auftritten – an die nächste Olympiastadt Montreal übergeben wurde). Die Auftritte gemeinsam mit den Dirndln (Olympia-Polka) wären bei der Schlussfeier geplant gewesen, was dann aber leider aufgrund des Olympia-Attentats abgesagt wurde…

Das Gruppenbild: 2. Reihe von unten, rechts außen: der damalige Gauvorstand des Gauverbandes I, Paul Gambs aus Inzell, eine Reihe darüber rechts außen der damalige Gauvorplattler und Landesvorplattler Alfons Plereiter aus Ruhpolding.

Bilder: Privat – Sepp Schlagbauer – Gauverband I

 

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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