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Bühne 24 Salzburg: Die Tore von Gaza

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Der israelische Journalist Amir Tibon berichtet in seinem Roman „Die Tore von Gaza“ über den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 aus seiner persönlichen Sichtweise. Man könne das damalige Geschehen nur begreifen, wenn dieser Tag historisch, kulturell und religiös beleuchtet und in einen geschichtlichen Zusammenhang gestellt wird, erklärte er beim Autorengespräch in den Kammerspielen.

Daher stellte er in seinem Roman einen Zusammenhang zwischen dem Erleben seiner Familie und der Geschichte Israels her – das Leid der Palästinenser ebenso im Blick wie das eigene. Er würdigte die Rede Mosche Dajans und dessen Anerkennung der palästinensischen Nakba (Flucht) bei der Beerdigung eines Kibbuz-Bewohners. „Lasst uns nicht die Schuld bei den Mördern suchen“, denn direkt unter ihren Augen „haben wir uns das Land zu eigen gemacht“. Der Regisseur Nuran David Calis stellte seine Bearbeitung des Romans am 3. Oktober in der Uraufführung auf der Bühne 24 im Marionettentheater vor.

Bereits vor dem Autorengespräch wurden die Räumlichkeiten der Kammerspiele und des Marionettentheaters polizeilich abgesichert. Sicherheitspersonal des Landestheaters zeigte den Polizisten am Smartphone ein Foto des israelischen Autors. Security-Personal wohnte sicherheitshalber den Veranstaltungen bei. Augenscheinlich verlief alles ruhig. Bundesweite Demonstrationen der Palästina-Solidarität verschiedener Friedensorganisationen am 3. Oktober waren der politische Hintergrund, vor dem die Bühnenfassung von „Die Tore von Gaza“ zur Aufführung kam. Der Intendant des Landestheaters, Carl Philip von Maldeghem sagte, es solle ein Gedankenraum eröffnet werden, um ein kontroverses Thema in vielen Perspektiven zu beleuchten.

Amir Tibon sehe es als seine Verantwortung an, über das Geschehen am 7. Oktober zu berichten. Er wollte es der Welt erzählen, daher schrieb er das Buch zuerst auf Englisch und erst danach auf Hebräisch. Schreiben mit dem Ziel der Bewusstmachung sei nicht nur Verarbeitungs-Therapie für ihn selbst gewesen, sondern auch Dokumentation der verschiedenen Verknüpfungen auf den vier Ebenen des Territorialkonflikts, der ethno-nationalen Aspekte, sowie der religiösen und regionalen Dimension. Amir Tibon hoffe für seine zwei kleinen Töchter auf eine bessere Zukunft. Er plädierte dafür, auf beiden Seiten – Israel und Palästina – friedenswillige Menschen zu unterstützen und erklärte den biblischen Bezug des Buch-Titels. Samson aus dem Alten Testament konnte den Philistern entfliehen, da er „die Tore von Gaza“ auf seinen Schultern trug und so entkommen konnte. Aber er und die Philister wurden doch unter den Trümmern des Tempels begraben. Tibon befürchtete, dass der Gaza-Krieg zu „Israels Samson-Krieg“ werden könne. Amir Tibon lebte am 7. Oktober in Nahal Oz an den Toren von Gaza.

Fünf schwarz gekleidete Schauspieler (Kostüm: Anna Sünkel) ohne feste Rollen – KS Britta Bayer, Georg Clementi, der zu disharmonischen Streicherakkorden auch live für melancholische Gitarrenklänge (Musik: Vivan Bhatti) sorgte, Larissa Enzi, Roman Kanonik und Aaron Röll – agierten (Dramaturgie: Clara Bender) auf der Bühne (Anne Ehrlich) in und um einen Glaskasten, dessen Teile auf der Drehbühne in jedem der 12 Kapitel anders angeordnet wurden mit einer schwarzen Liege, einem Schreibtisch und einem Stuhl als Requisiten. Eine Kamera projizierte das Geschehen an die Seitenwand – manchmal gezielt nur eine Person – als Moderator oder Nachrichtensprecher? Aus den wichtigsten Passagen der 12 Kapitel im Roman hatte Nuran David Calis die Texte ausgewählt, die je nach Bedeutung von einzelnen gesprochen oder – auf ein Atemgeräusch hin – im Chor hinausgeschrieen wurden. Choreographischer Ausdruckstanz bildete den  Gegenpart zum Sprechtheater. Was zu Beginn auf die Glaswände geschrieben worden war – Fakten, Daten, Gedanken und Geschehnisse – und durch die Drehbühne aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen war, wurde zum Schluss weggewischt. Dazu der Text, während sich alle in slow motion auf den Boden legten: „Das Versagen der Regierung Netanyahu war für alle im Land offensichtlich“ und: „Die Tore von Gaza lasten auf unseren Schultern und auf unseren Seelen“.

Bericht: Brigitte Janoschka – Fotos: Landestheater / Tobias Witzgall


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Toni Hötzelsperger

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