Kultur

Buchtipp:  Jean Philippe Toussaint ,„Der USB-Stick“

Veröffentlicht von Günther Freund

Ein Zukunftsexperte der Europäischen Kommission kommt einem gigantischen Betrugsversuch auf die Spur.

Jean Detrez, Zukunftsforscher bei der Europäischen Kommission, untersucht momentan die Chancen und Risiken der Blockchain-Technologie, einer Speichermethode, auf die unter anderem die Bitcoin-Währungen zurückgreifen. Die Kommission beauftragt ihn mit einer Machbarkeitsstudie: eine rein europäische Blockchaintechnologie soll künftig die Unabhängigkeit von China und den USA gewährleisten. Als Detrez seine Ergebnisse im Europäischen Parlament präsentiert, sprechen ihn zwei Lobbyisten einer bulgarischen Firma für Datenverarbeitung, die einen Antrag auf Fördermittel bei der Europäischen Kommission eingereicht hat, an. Sie bitten ihn um eine diskrete juristische Beratung und er lässt sich auf konspirative Treffen in dunklen Hotelbars ein, obwohl er sich dadurch der Korruption verdächtig macht. Jean Detrez begegnet den Wünschen der Lobbyisten erst sehr reserviert. Erst als er nach einer letzten Begegnung auf dem Boden einen USB-Stick mit verräterischem Material findet, den einer der beiden dort verloren hat, wird er neugierig. Die gespeicherten Dokumente enthalten Ungeheuerliches: Indizien für einen Deal der Bulgaren mit einer chinesischen Firma bei dem es um Bitcoins geht. Und um einen gigantischen globalen Betrugsversuch. Jean Detrez setzt sich – ohne seinen Arbeitgeber zu informieren – in einen Flieger nach China, statt wie geplant direkt zu einer Konferenz nach Japan zu reisen, um Aufschlussreiches über die Machenschaften der Chinesen und der Bulgaren aufzudecken.

In seinem neuen Roman bringt Jean Philippe Toussaint mit unkompliziertem Erzählstil und mit intelligenter Gegenwartsdiagnostik Fragen zur Sprache, die durch Globalisierung und neue Technologien ausgelöst werden und zeigt auf, wie die profitgierige internationale Cyberkriminalität europäische und demokratische Ideale zerstört. Der Autor zeichnet mit viel Ironie und skurrilem Humor ein präzises Porträt seines Protagonisten, einem Mann der allem und jedem misstraut, aber trotzdem viel riskiert. Auch seine Nebenfiguren sind brillant charakterisiert, die anfänglichen Ausflüge in die Blockchain-und Bitcoin-Technologie sind allerdings etwas langatmig und die Handlung ist am Ende nicht mehr sehr plausibel. Der insgesamt aber überzeugende Roman ist allen LeserInnen psychologisch motivierter Darstellungen sehr empfohlen. (Aus dem Französischen von Joachim Unseld)

Buchprofile-Rezension von Günther Freund

Jean Philippe Toussaint ,„Der USB-Stick“
FRANKFURTER VERLAGSANSTALT , 2020,  192 S.
ISBN/EAN: 9783627002732

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Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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