Einen unpassenderen Zeitpunkt könnte man sich kaum aussuchen: Am 1. Januar 2020 übernahm das Bayerische Rote Kreuz (BRK) die Trägerschaft für das Jugendzentrum in der Westendstraße in Bad Aibling und sah sich nach einigen Wochen Anfangseuphorie dann mit dem Thema Corona konfrontiert. Mira Struckmeier, die langjährige Leiterin im Jugendzentrum, beschreibt die Situation so: „Wir hatten tolle Ideen, doch wir durften gar nichts tun.“ Und mit nichts meint sie tatsächlich nichts. Ein paar Monate war einfach zu, lediglich online-Angebote waren möglich. Danach konnte wieder geöffnet werden.

Doch anstatt mit ihrem Team die Offene Jugendarbeit zu praktizieren und mit ihren Angeboten flexibel auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen einzugehen, mussten die JUZ-Mitarbeitenden ständig neue Hygienebestimmungen ausarbeiten und umsetzen. „Das ist ein Zeitfresser ohne Ende.“

Nicht nur das Team des Jugendzentrums, auch ihr Publikum war durch die vielen Bestimmungen herausgefordert. Nicholas Herger, der seit September 2021 als pädagogische Fachkraft dabei ist: „Da wurde vieles schnell vergessen. Wir mussten oft Aufklärungsarbeit leisten – was ist denn ein Jugendzentrum überhaupt? Einigen Eltern erklärten wir auch, was offene Jugendarbeit überhaupt ist.“

In der Praxis sieht das für Mira Struckmeier so aus: „Wir wollen vor allem einen freien Raum schaffen, in dem sich die Jugendlichen entfalten und austesten können. Leistungsdruck haben sie in der Schule ohnehin genug.“ Auffallend in der bisher zurückliegenden Coronazeit: Auch die junge Zielgruppe zwischen 10 und 14 Jahren hat das Jugendzentrum für sich entdeckt. „Die brauchen einfach einen Platz, wo sie weg von zuhause gemeinsam Zeit verbringen können“, sagt sie.

Obwohl das Jugendzentrum vor allem für junge Menschen zwischen 12 und 18 Jahren gedacht ist, dürfen auch die Jüngeren gerne hier sein. Sie können vor allem Outdoor-Angebote nutzen. Nicholas Herger: „Wir haben auch im Dezember und Januar viel draußen gemacht. Wir hatten immer wieder Angebote vor dem Haus, dazu gibt es regelmäßig Parcours-Kurse.“ In den Innenräumen des Hauses selbst passiert so gut wie nichts. Seitdem im Jugendzentrum auch die 2G-Regel gilt, halten sich dort im Schnitt nur ein bis zwei Leute pro Tag auf, da viele Besucher die besagten Voraussetzungen f nicht erfüllen können.

Was für die Mitarbeitenden besonders schade ist: Jugendarbeit lebt von Beziehungsaufbau, von Vertrauen. Und gerade, als dies im Jugendzentrum wieder etwas gewachsen ist, kam der Lokal-Lockdown im Landkreis Rosenheim. „Das war ein richtiger Cut“, sagt Mira Struckmeier. „Wir sind gerade dabei gewesen, wieder Beziehungsstrukturen zu pflegen und dann wurde wieder alles auf null runtergefahren.“ Um den Bedürfnissen der Jugendlichen mehr Gehör zu verschaffen, arbeitet sie mittlerweile nur noch halbtags in Bad Aibling und engagiert sich zusätzlich als Landesjugendreferentin beim Bayerischen Roten Kreuz. „Die Jugendlichen brauchen eine Lobby.“

Damit diese noch stärker wird, freut sich das Team im Jugendzentrum, dass in diesem Jahr das Inklusionsfestival „Zamma“ vom 2. bis 9. Juli in Bad Aibling stattfindet und sich die Mitarbeitenden mit Aktionen einbringen können, bei denen die Jugendlichen aus Stadt und Region zum Mitmachen eingeladen sind.

Eine weitere Sache, auf die Struckmeier und ihre Leute mit Vorfreude vorausblicken: Als ausgewähltes Flaggschiffprojekt des Bayerischen Jugendrings (BJR) sind sie Botschafter europäischer Jugendpolitik. Hier soll der europäische Gedanke schon im Lokalen gefördert werden. Auch so kann das Jugendzentrum einen Beitrag dazu leisten, die Jugendlichen mit ihren Bedürfnissen sichtbarer zu machen. Vor allem in Zeiten wie diesen.

Text: af – Fotos: re

Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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