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Bezirk Oberbayern: BASTA-Koordinatorin Elfriede Scheuring zieht Bilanz

Begegnung und Austausch von Psychiatrie-Erfahrenen mit jungen Menschen sind das Herzstück der Antistigma-Arbeit von BASTA – dem Bündnis für psychisch erkrankte Menschen. Für diesen Beitrag zur Bewusstseinsbildung zeichnete der Bezirk Oberbayern das Bündnis 2018 mit dem Inklusionspreis aus. Im Interview schildert BASTA-Koordinatorin Elfriede Scheuring, wie es dem Bündnis seither ergangen ist.

Wie geht es BASTA?

Elfriede Scheuring BASTA sucht gerade eine neue Organisationsstruktur. Mit meinem Renteneintritt haben wir in Teilzeit jemanden eingestellt, um die Projekte von BASTA weiter organisieren zu können. Das Gehalt hofften wir über Stiftungen und Unterstützung durch die Stadt München zu sichern. Ich selbst war ja vom Kultus­ministerium abgeordnet, da ich meinen Beruf als Lehrerin wegen meiner Depression nicht mehr ausüben konnte. Insgesamt gab es pandemiebedingt in den letzten beiden Jahren viel weniger Schulbesuche. Anders als in den Schulen liefen die Begegnungsstunden in den Kursen für das Freiwillige Soziale Jahr unvermindert weiter, allerdings im Onlineformat.

Wie hat BASTA das Preisgeld verwendet?

Scheuring Das Preisgeld haben wir für das Gehalt verwendet.

Gibt es neue Initiativen bei BASTA?

Scheuring Wir gewinnen immer wieder neue Kooperationspartner in anderen Städten für unser Schulprojekt. Auch finden sich neue Schulen in München und Rosenheim, die unser Projekt umsetzen. In beiden Städten vermitteln wir die Teams zu Schulbesuchen und halten Kontakt zu den Schulen. Wir werden auch zu Fortbildungen zum Beispiel von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen eingeladen.

Wurde BASTA auch als Vorbild genommen und gab es Kooperationen aufgrund der Preisverleihung?

Scheuring Dank des Inklusionspreises wird seit zwei Jahren im Bezirk unser Projekt umgesetzt, zunächst für Berufsanfängerinnen und -anfänger und seit diesem Jahr für alle interessierten Mitarbeitenden. Ziel ist es, den Teilnehmenden ein Gespür für die Probleme von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu vermitteln – sowohl im Umgang mit betroffenen Kolleginnen und Kollegen als auch im Kontakt mit Klientinnen und Klienten. Bei neuen Anfragen ist der Film, der für die Preisverleihung erstellt wurde, hilfreich, da er einen guten Einblick in den Aufbau des Projekts gibt, wie es umgesetzt wird und welche Aufgaben auf das Team zukommen. Aktuell planen wir strategische Kooperationen mit lokalen Einrichtungen. Momentan ist das noch in der Planungsphase. Auch hier hat der Inklusionspreis Gewicht.

Was sind Ihre Wünsche an Politik und Gesellschaft, um Teilhabe zu stärken?

Scheuring Zunächst in eigener Sache: Ein Wunsch an die Politik wäre, dass Informationen über psychische Erkrankungen im Lehrplan fest verankert werden. Gut wäre es aus unserer Sicht auch, wenn die Bezirke als Träger der psychiatrischen Versorgung über die Sozialpsychiatrischen Dienste zusammen mit BASTA und anderen lokalen Projekten Aufklärung an Schulen anbieten könnten. Zur Organisation könnten sehr gut Menschen mit einer EX-IN-­Aus­bildung eingesetzt werden, die die Kontakte zu den Schulen aufbauen und pflegen, die Teams zusammenstellen und koordinieren. Außerdem könnten diese selbst aktiv in Schulen gehen und durch ihr Beispiel anderen Mut machen. Es wäre eine sehr gute Sache, wenn Aufklärung und Anti-Stigma-Arbeit nach dem Modell des BASTA-Schulprojekts flächendeckend umgesetzt würden: Oberbayern als Vorreiter und die anderen ziehen nach.

Was braucht es für mehr Inklusion noch?

Scheuring Generell sehen wir die Möglichkeiten der Teilhabe für psychisch Kranke immer noch stark eingeschränkt. Zu oft sieht die Politik diese Menschen nur als Opfer einer schweren Erkrankung, als Fälle, die Probleme schaffen. Man denkt meist ausschließlich an medizinische Hilfe und Versorgung und zu wenig an die Möglichkeiten positiver Eingliederung in den Alltag. Es braucht medizinische und berufliche Rehabilitation, faire Chancen auf Bildungsabschlüsse, Wohnprojekte für Bewohnerinnen und Bewohner mit und ohne Er­krankungen, Entlastung der Herkunfts­familien und Angehörigen und schließlich ein Umdenken in der aktuellen Akut­psychiatrie.

Woran fehlt es dort?

Scheuring Die Akutpsychiatrie entlässt nach meinem Wissen allzu oft ihre Patien­tinnen und Patienten zu früh und nicht gefestigt. Das führt zur Drehtürpsychiatrie. Stattdessen braucht es eine intensive Zusammenarbeit von stationären und ambulanten Diensten, mehr Therapieangebote sowohl in der Klinik als auch außerhalb, mehr Tagkliniken und Reha-Einrichtungen.

Interview und Foto: Bezirk Oberbayern

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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