Inmitten von großen wirtschaftlichen Herausforderungen mit zwei Minus-Jahren beim Bruttoinlandsprodukt und einem besorgniserregenden Anstieg der Unternehmensinsolvenzen stand die Landkreisversammlung des Bayerischen Landkreistags im Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim am 7./8. Mai unter dem Motto: „NEUSTART JETZT: strukturell, wirtschaftlich und finanziell“. Der Bayerische Landkreistag hat in diesem Jahr politische Entscheidungsträger, Unternehmer und Experten zusammengebracht, um dringend benötigte Lösungen für die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu finden. Die aktuelle Lage zeigt, dass die Rahmenbedingungen sowohl extern als auch intern volatil sind. Unternehmen kämpfen mit steigenden Energiekosten, einem Mangel an qualifizierten Fachkräften und vor allem übermäßiger Bürokratie.
„Unter anderem Bürokratieabbau, Digitalisierung und hochwertige Infrastruktur sind die Schlüssel zu einem florierenden wirtschaftlichen Umfeld. Um diese Rahmenbedingungen zu schaffen, benötigen die Landkreise mehr finanzielle Mittel und Entscheidungsspielräume. Bund und Freistaat müssen verstehen, dass es den Kommunen gut gehen muss, damit es der Wirtschaft gut geht. Die aktuellen kommunalen Finanzierungssalden zeigen alarmierende Negativrekorde mit -2,5 Milliarden Euro für 2023 und -5,4 Milliarden Euro für 2024. Diese strukturelle Schieflage ist nicht mehr tragbar“, erklärte Landrat Thomas Karmasin, Fürstenfeldbruck, Präsident des Bayerischen Landkreistags. Er forderte: „Die Landkreise benötigen Geld, Geld, Geld – und vor allem BEINFREIHEIT! Weniger Regularien und mehr Entscheidungsspielräume sind notwendig, um die Wirtschaft erfolgreich anzukurbeln. Wenn die Wirtschaft läuft, steigen die Steuereinnahmen, und wir gewinnen mehr Spielräume im kommunalen Haushalt. Das ist wie ein Kreislauf, der sich selbst antreibt.“
Die Ursachen für diese Schieflage sind vielschichtig. Die wesentlichen Ausgaben steigen deutlich schneller als die Einnahmen. Die Kommunen tragen über 25 % der Ausgaben, erhalten jedoch nur 14 % der Steuereinnahmen. Karmasin dazu: „Das Prinzip „Wer anschafft, der zahlt“ steht endlich im Koalitionsvertrag und muss endlich umgesetzt werden. In der Vergangenheit waren wir es gewohnt, dass der Bund neue gesetzliche Aufgaben beschließt, ohne sich an der Finanzierung zu beteiligen. Um die finanziellen Herausforderungen zu bewältigen, benötigen wir aber auch schnelle und konkrete Lösungen. Vom Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro sind 100 Milliarden Euro für Länder und Kommunen vorgesehen. Diese Mittel müssen unbürokratisch und schnell bereitgestellt werden, damit die Kommunen zügig investieren können. 70 % des Geldes muss dort ankommen, wo es am dringendsten benötigt wird: bei den Kommunen – wie eine gezielte Injektion in ein angeschlagenes Herz.“
Wie jedes Jahr war der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder Hauptgast der Landkreisversammlung: „Nur wenn es den Kommunen gut geht, geht es dem Land gut: Hier (bei der Landkreisversammlung) treffen sich kommunale Mandatsträger zum Gespräch. Den Herausforderungen der Zeit können wir nur mit einer stärkeren Wirtschaft begegnen. Die Grundlagen haben wir in Berlin gesetzt – nun muss es schnell umgesetzt werden. Es gilt: Mehr Investitionen für Wirtschaft, Technologie, Kitas und Gesundheitsversorgung, massiver Abbau von Bürokratie sowie weniger Ausgaben bei Bürgergeld und Migration. Gerade im ländlichen Raum muss die Krankenhausqualität erhalten bleiben. Unsere bayerische Heimatstrategie ist ein Erfolgsmodell für den ländlichen Raum und mit Behördenverlagerungen werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Wir sorgen für gute Lebensbedingungen überall im Land. Der ländliche Raum ist die Seele Bayerns.“
„Bayern kann Gründerland Nummer 1 in Europa werden – wenn wir jetzt den Mut haben, nicht nur zu fördern, sondern auch zu vertrauen: Bürokratie abbauen, jungen Unternehmen echte Aufträge auch aus öffentlicher Hand zu geben und Startups die Bedeutung beizumessen, die sie haben. Sie sind die Innovationsmotoren unserer Zukunft“, so Magdalena Oehl, Stv. Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Deutsche Startups und Founder sowie Geschäftsführerin von TalentRocket.
Dr. Stefan Ebner, MdL, Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung im Bayerischen Landtag: „Kommunen sind das Herz unseres Landes – hier schlägt das Leben! Ich freue mich deshalb sehr, dass Startups bei der Landkreisversammlung des Bayerischen Landkreistags so eine gewichtige Rolle spielen: Sie sind der Mittelstand von morgen. Bayern ist mittlerweile Startup-Land Nummer eins in Deutschland, weil der Freistaat seit mehreren Jahrzehnten Gründertum engagiert fördert. Und weil über viele Jahre hier ein beeindruckendes Ökosystem zwischen Startups, Hochschulen, etablierten Unternehmen und Investoren entstanden ist – nicht nur in den Metropolregionen, sondern in ganz Bayern. Denn wer will, kann in jeder Region Bayerns gut gründen und findet durch die vielen Gründerzentren in der Fläche beste Bedingungen. Wirtschaft und Politik müssen gemeinsam nicht nur dafür arbeiten, dass wir in Bayern weiterhin beste Gründer-Voraussetzungen haben, sondern dass noch mehr Menschen Lust auf Gründer- und Unternehmertum bekommen!“
Johannes Becher, MdL, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag und Mitglied der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags zum Bürokratieabbau: „Es muss einfach einfach sein, in Bayern ein Unternehmen zu gründen. Dafür braucht es alle Infos auf einen Blick, schlanke, digitale Förderprogramme sowie Zugang zu Netzwerken und Markt. Gerade das Potenzial von Frauen und internationalen Fachkräften können und sollten wir noch stärker nutzen. Weniger Bürokratie, mehr Gründergeist – das braucht Bayern jetzt.“
Hubert Aiwanger, MdL, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie: „Um unsere Regionen zukunftsfähig aufzustellen, brauchen die Kommunen eine solide finanzielle Basis und weniger kostentreibende Vorschriften. Nur so können sie vor Ort investieren, die heimische Wirtschaft stärken und Arbeitsplätze sichern. Eine florierende Wirtschaft ist Voraussetzung für genügend Steuereinnahmen. Die Kommunen haben eine große Herausforderung, ihre Infrastruktur wie Schulen und Straßen erhalten und die Digitalisierung umsetzen zu können. Wir brauchen auch kommunalfreundliche Lösungen für die Zukunft der Krankenhauslandschaft. Gleichzeitig müssen wir bürokratische Hürden abbauen: Unternehmen und Kommunen brauchen schnellere Verfahren, weniger Vorschriften und eine Verwaltung, die digital und effizient arbeitet. Das stärkt den Standort und entlastet die Menschen vor Ort.“
Holger Grießhammer, MdL, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag: „Jetzt gibt es einen Neustart: Die neue Bundesregierung packt an und hat unsere Kommunen dabei im Fokus. Mit dem Sondervermögen können wir massive Investitionen in unsere Infrastruktur vornehmen, die dringend nötig sind. Damit unterstützen wir Städte, Gemeinden und Landkreise und kurbeln gleichzeitig unsere Wirtschaft an. Unsere Landkreise müssen immer mehr Aufgaben übernehmen. Dafür brauchen sie aber auch die finanziellen Mittel. Deshalb setzen wir als SPD uns im Bayerischen Landtag für die Erhöhung der Verbundquote auf 15 % ein. Wir wollen auch den Bürokratieabbau massiv vorantreiben und die Digitalisierung der Behörden ausbauen. Unsere Landkreise stehen vor enormen Herausforderungen etwa beim ÖPNV oder der Krankenhausfinanzierung und sie leisten hervorragende Arbeit, für die wir sehr dankbar sind. Deshalb ist für uns als SPD klar: Sie brauchen mehr Geld und weniger Vorschriften!“
„Fehlende Planbarkeit, überbordende, zum Teil sinnlos erscheinende Bürokratie und hohe Energiepreise sind einige wichtige Faktoren, die Deutschland in eine tiefe Strukturkrise gestürzt und zur Abwanderung mehrerer wichtiger Industriezweige geführt haben. Nur mit einer florierenden Wirtschaft und Industrie sind Wohlstand und Sozialleistungen möglich. Umfassend durchdachte und strategische Konzepte, sinnvoll und zielgerichtet eingesetzte Fördermittel und eine größere Realitätsnähe unserer Politiker wären Schritte in die richtige Richtung und könnten dem festgefahrenen Wagen neuen Schwung geben,” so Dr. Christiane Heunisch-Grotz, Geschäftsführende Gesellschafterin Gießerei HEUNISCH GmbH.
Die Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf, MdL, betonte auf der Landkreisversammlung: „Ich weiß um die schwierige Lage der Kommunen. Wir stehen in sehr engem und stetigem Austausch und arbeiten gemeinsam an Lösungen. Die Bayerische Staatsregierung lässt die Städte, Gemeinden und Landkreise nicht allein. Bei den Koalitionsverhandlungen habe ich darum gekämpft, dass die Probleme in der Praxis auf Bundesebene mehr berücksichtigt werden. Im Koalitionsvertrag haben wir eine Sozialstaatsreform vereinbart. Sozialgesetze werden einem Praxis-Check unterzogen. Besonders wichtig ist mir auch, dass die Digitalisierung gestärkt wird und praxisnah gearbeitet wird – das Wohl unserer Bürgerinnen und Bürger immer im Blick. Dafür setze ich mich auf allen Ebenen mit ganzer Kraft ein. Vor Ort in den Kommunen wird der Staat für die Menschen direkt greifbar.“
Susanne Lang, Geschäftsführende Gesellschafterin MEKRA LANG GMBH & CO. KG: „Was wir von der Politik erwarten, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Lassen Sie Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Arbeit machen und ihre Verantwortung wahrnehmen! Der Mittelstand ist das Rückgrat der Bundesrepublik Deutschland – das war er schon immer und das wird er auch in Zukunft bleiben. Gerade für die langfristige Sicherung des Wohlstands und damit die Finanzierung des Sozialstaates in Deutschland müssen Politik und Wirtschaft zusammenarbeiten. Denn ein starker Wirtschaftsstandort Deutschland ist das Fundament eines Sozialstaates. Das hat Deutschland in der Vergangenheit stark gemacht.“
Bernhard Stiedl, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Bayern: „Wir sehen in den Landkreisen und Kommunen das Fundament unseres erlebbaren Sozialstaats. Nur mit starken Kommunalfinanzen bleibt Bayern solidarisch, lebendig und zukunftsfähig. Gerade Kommunen in strukturschwachen oder schrumpfenden Regionen benötigen jetzt besondere Unterstützung, damit das in der Verfassung verankerte Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse im Freistaat kein leeres Versprechen bleibt. Hier sind sowohl der Bund als auch der Freistaat in der Pflicht: Stärken Sie die Kommunen! Geben Sie ihnen die notwendigen Ressourcen und Handlungsspielräume, um den Sozialstaat vor Ort zu gestalten – für gute Arbeitsbedingungen, bezahlbaren Wohnraum, hochwertige Bildung und eine flächendeckende Gesundheitsversorgung. Nur so wird Bayern seinem Anspruch als sozialer und wirtschaftlich starker Freistaat gerecht.“
Bericht: Der Bayerische Landkreistag – Der Bayerische Landkreistag ist einer der vier Kommunalen Spitzenverbände in Bayern neben dem Bayerischen Gemeindetag, dem Bayerischen Städtetag und dem Bayerischen Bezirketag. Er vertritt die 71 bayerischen Landkreise. Wesentliches Ziel des Bayerischen Landkreistags ist es, die kommunale Selbstverwaltung auf der Kreisebene zu sichern und zu stärken. Als Anwalt der bayerischen Landkreise berät der Bayerische Landkreistag seine Mitglieder und tritt für die Stärkung des ländlichen Raums ein. Präsident des Bayerischen Landkreistags ist der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin. Als Geschäftsführendes Präsidialmitglied leitet Andrea Degl die Geschäftsstelle.
Luftaufnahme: Rainer Nitzsche