Wirtschaft

Aschauer Markt – heuer Thema einer Ausstellung

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Ein unsichtbarer Feind namens Corona hat es geschafft uns Aschauern die liebste Veranstaltung zunichte zu machen“, klagte die Aschauer Gemeindearchivarin Ilse Goßner bei der Eröffnung der Sonderausstellung zum Aschauer Markt im Foyer des Rathauses. „Anstatt dem traditionellen Anstich des ersten Bierfasses durch unseren ersten Bürgermeister im Festzelt stechen wir heute alle miteinander die Wasserflaschen hier im Rathaus an und prosten uns damit zu. Es bleibt zu hoffen, dass im nächsten Jahr der Aschauer Markt wieder in alter Tradition stattfinden kann. Der Markt ist wichtig für die Aschauer Zeitrechnung: es ist einfach den Termin zu bestimmen, an dem sich der Sommer verabschiedet und der Herbst beginnt. Bis zum Aschauer Markt ist es Sommer, nach dem Aschauer Markt ist es Herbst“. Bürgermeister Simon Frank verwies in seiner kurzen Ansprache auf die lange Geschichte des Marktes: „Der Jahrmarkt ist mit Sicherheit kein lebensnotwendiges Fest, aber halt äußerst traditionell und beliebt bei Alt und Jung und seit 465 Jahren verbrieft. So etwas sagt man nicht kurz entschlossen ab“. Bürgermeister Frank bedankte sich bei der Gemeindearchivarin für die Zusammenstellung der Exponate: „Ilse Goßner ist ganz tief ins Aschauer Gemeindearchiv abgetaucht, um die Belege für den Aschauer Markt und seine Herkunft zu finden und sie den Leuten, die ins Rathaus kommen, anschaulich darzustellen“.

Es ist schon etwas ganz besonderes mit diesem Markt in Aschau: Im Heiligen römischen Reich deutscher Nation trat Kaiser Karl V., „in dessen Reich die Sonne nie unterging“ von seinem Amt zurück, der Augsburger Religionsfriede brachte das Ende der Glaubenskriege der Reformationszeit, Amerika war gerade einmal 63 Jahre entdeckt und der große Martin Luther erst neun Jahre verstorben, da feierten die Aschauer schon das erste Mal ihren Markt am Niederaschauer Kirchenberg. Die originalen Gründungsakten von 1555 liegen im gemeindlichen Archiv im Aschauer Rathauskeller natürlich nicht mehr vor. Damals führte Pankraz von Freyberg mit Genehmigung des bayerischen Herzogs Albrecht V. den Markt „als Wochenmarkt in Niederaschau ein“. Die Bewohner des Prientales mussten damit einerseits nicht mehr nach Prien oder Mauerkirchen zu den dortigen Märkten gehen, um sich mit Getreide und Vieh zu versorgen, auf der anderen Seite unterlagen sie dem Marktzwang und mussten ihre Erzeugnisse auf den heimischen Markt bringen, auch wenn sie anderswo höhere Preise hätten erzielen können.

Bei dieser langen Tradition ist es kein Wunder, dass es keiner besonderen Werbung für diesen Markt braucht, der seit Jahrhunderten stets am ersten Sonntag im September stattfindet. So war es nur verständlich, dass der damalige Bürgermeister von Niederaschau Nikolaus Peteranderl im Jahr 1935 ganz selbstbewusst ein Schreiben an den Oberbürgermeister von Rosenheim sandte, in dem er ihn aufforderte, der Stadtrat möge das dort neu eingeführte Herbstfest auf einen anderen Termin verlegen, da zu diesem Termin im September in Aschau seit Jahrhunderten der Markt stattfinde. In Rosenheim antwortete zunächst keiner auf dieses Ansinnen, erst im Jahr darauf gab der verantwortliche wirtschaftliche Verband die Antwort, dass der Termin bereits frühzeitig ausgewählt werde, damit die Großunternehmen unter den Schaustellern ihre Tourneen entsprechend planen können und vom Herbstfest dann geradewegs auf das Münchner Oktoberfest verlegen können. Ob der Hauptsonntag des Herbstfestes tatsächlich Auswirkungen auf den Aschauer Markt hatte oder noch hat, ist allerdings nirgends dokumentiert und harrt noch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Der Schriftverkehr zwischen Aschau und Rosenheim aus den 30-er Jahren ist in der Ausstellung vollständig einsehbar.

Rund 150 Fieranten aller Sparten preisen in jedem Jahr ihre Waren an und versuchen, die Besucher von der Qualität ihrer Waren zu überzeugen, rund 100 Absagen muss die Gemeindeverwaltung Aschau jedes Jahr an weitere Interessenten versenden.

Ein sonntäglicher Bummel mit der ganzen Familie durch die fast einen Kilometer langen von Verkaufsständen gesäumten Marktstraßen mit ihrem schier unerschöpflichen Warenangebot, die Brotzeit- und Spielestandl und natürlich ein Besuch im großen Bierzelt sind bei vielen fest eingeplant. An allen Ecken und Enden treffen die Besucher am Marktsonntag Verwandte, Bekannte oder Freunde auf „einem Haufen“, die förmlich zum „Ratschen“ animieren. So kommen die Besucher nur langsam von Hauseck zu Hauseck voran, aber niemand stört sich am Gedränge, das gehört einfach mit dazu. Auf dem Aschauer Markt muss man niemand suchen, hier finden sich alle Jahre alle Bekannten wieder ein. Bummeln und Promenieren, Anschauen und Geselligkeit, Sehen und Gesehen werden stehen beim Marktbesuch im Vordergrund. Dazu laden die Standl mit Waren aller Art zum Kauf ein, irgendetwas braucht ein jeder und nimmt es vom Markt mit heim, so ist es der Brauch. Zusätzlich kann man auch bei einer herzhaften Brotzeit an einem Standl oder im Festzelt den da und dort aufspielenden Musikanten lauschen.

Ein Duft von gebrannten Mandeln und Magenbrot liegt zwischen dem Aschauer Kirchenberg und der Schulstraße in der Luft, innig vermengt mit dem Geruch von Schweinswürstln mit Sauerkraut, von Curry und scharfen Gewürzen, von Lederwaren und Fischsemmeln und das I-Tüpferl auf dieses Geruchspotpourri setzt der Duft aus dem Festzelt an der Schützenstraße. Bananen und Ananas gibt es beim Marktschreier am Eck für fast nix, die Steige Pfirsiche und Weintrauben noch viel billiger, dazu noch Äpfel, Orangen und Melonen und für die verschiedenen Grünpflanzen vom Gärtnerwagen herunter muss man auch kaum etwas bezahlen. Der Passant denkt sich, wie die bloß auf ihre Kosten kommen mögen und nimmt sich eine ganze Steige vollreifer Pfirsiche und eine Schachtel voller Pflanzen für den Balkon zuhause mit.

Die Kinder kaufen sich für ihre Marktzehnerl etwas zum Schlecken, etwa Türkischen Honig, Liebesperlen, Magenbrot oder gebrannte Mandeln, einen echten silbernen Schmuck, Ketten, Broschen und Ringe, eine echt goldene gängige Uhr, die mindestens bis zum Heimkommen läuft oder ein Spielzeug, das es so nur auf dem Markt gibt; stets sind an den vielen Spielzeugstandln die neuesten landwirtschaftlichen Maschinen im aktuellen Angebot, was heute der letzte Schrei auf den bäuerlichen Agrarmessen ist, kommt bereits morgen als Miniatur in Plastik oder Spritzguss in die Spielzeugläden und auf die Marktstandl. Doch nicht nur die Kleinen kennen ihre Standl: die jungen Burschen erwerben sich die Sympathie ihrer Dirndl mit „einem Präsentel“ und auch für alle anderen Besucher gibt es im großen Angebot der Händler und des Festwirtes etwas zu finden.

Trotz seiner 465 Jahre „auf dem Buckel“ hat sich der Aschauer Markt durch die Jahrhunderte stets den Bedürfnissen seiner Kunden angepasst, er hat sein Aussehen verändert, aber dabei stets seinen Charakter gewahrt. Und so soll`s auch in den kommenden 465 Jahren bleiben!

Bericht und Bilder: Heinrich Rehberg

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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