Brauchtum

Ansprache vom Neubeurer Bürgermeister Christoph Schneider bei den Gebirgsschützen

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Die Ansprache vom Neubeurer Bürgermeister Christoph Schneider beim gestrigen Bataillonsfest in Neubeuern. Im Anschluß an die Ansprache überreichte der Bürgermeister gemeinsam mit seinem 2. Bürgermeister Wolfgang Sattelberger den Veranstaltern einen Scheck in Höhe von € 500,- für deren nächste Großveranstaltung.

 

Lieber Hauptmann Josef Stadler,

werte Kameradinnen und Kameraden der Gebirgsschützenkompanie Neubeuern,

werte Schützen,

liebe Gottesdienst- bzw. Festbesucher,

 

leider ein ganzes Jahr zu spät und in deutlich kleinerer Art und Weise als geplant, aber letztlich doch in würdigem Rahmen in unserer guten Stube – dem Marktplatz – können wir heute das Jubiläum unserer Gebirgsschützen-Kompanie feiern. Bei diesem traumhaften Wetter, der Anwesenheit der Musikappelle und den offenen Gastronomen, die sich heute über den ganzen Marktplatz ausbreiten dürfen, hat die Szenerie heute fast schon versöhnlichen Charakter.

Als erster Bürger unserer Gemeinde und Schirmherr der eigentlich geplanten Feierlichkeiten freut es mich ausgesprochen, dass mir die Ehre zuteil geworden ist Euch allen stellvertretend für unseren Marktgemeinderat und unserer Bevölkerung zum 50 Jahrtag der Widergründung gratulieren zu dürfen.

Wer meine letzten Ansprachen gehört hat, der weiß, dass mich ein Thema seit meinem Amtsantritt sehr beschäftigt: Das ist der Individualismus in unserer Gesellschaft.

Wir durchleben ja – nicht nur pandemiebedingt – zurzeit durchaus herausfordernde Zeiten: Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren rapide verändert, der Wohlstand, gerade in unserer Region, ist auf ein Maximum angewachsen und trägt dazu bei, dass sich die Menschen unabhängiger fühlen. Viele Menschen entwickeln dabei auch das Gefühl, dass Sie nicht mehr aufeinander angewiesen sind und somit nur noch ihren ganz unterschiedlichen und individuellen Interessen nachgehen. Diesen Trend hat die Corona-Krise gefördert – im letzten Jahr mussten Gasthäuser zusperren, Veranstaltungen abgesagt werden, zudem haben sich viele Treffpunkte aufgelöst UND vor allem eines hat gerade unsere Gemeinde sehr hart getroffen: Das Erlahmen unseres intakten Vereinslebens!

Dieses Vereinsleben hat uns in den letzten Jahrzehnten zu dem gemacht, auf was wir Neubeurer die letzten Jahre voller Stolz geschaut haben: Aktive Bürgerinnen und Bürger, die ihre Freizeit aufopferungsvoll und unentgeltlich für die Gesellschaft geopfert haben, Kinder und Jugendliche zum Musizieren oder zur Sportausübung motiviert haben, Veranstaltungen und Feste organisierten oder den Menschen die Kultur unserer Heimat nahegebracht haben – Gesellschaftliches Engagement in allen Bereichen eben.

Dieses übergreifende gesellschaftliche Engagement war gerade das, was uns in Deutschland, Bayern und Neubeuern stets ausgezeichnet hat. Dazu hat es uns vor allem eins gegeben

eine Verbindung zueinander und eine gemeinsame Identität!!

Wieso erzähle ich das jetzt und was hat das mit dem heutigen Bataillonsfest zu tun?

Naja – ich erzähle das, weil ich gerade auch im letzten Jahr das Gefühl hatte, dass die Bewegung der Gebirgsschützen im Allgemeinen und unsere Kompanie in Neubeuern im Speziellen für die anstehende Phase nach der Corona-Pandemie für uns alle als Beispiel dienen kann – als Beispiel dafür wie wir es schaffen wieder während der Öffnungsschritte zu einer funktionierenden Gesellschaft und Dorfgemeinschaft mit all den Werten, die uns stark gemacht haben, zu werden.

Unsere Kompanie hat im letzten Jahr in einer ganz schwierigen Zeit, in welcher viele Menschen sehr verunsichert waren, mit dem Projekt am Haschlberg nicht nur eine tadellose Arbeit geleistet und unseren schönen Aussichtspunkt wirklich atemberaubend hergerichtet, sondern auch ein Zeichen gesetzt sich gerade nun in Zeiten mit Beschränkungen Gedanken darüber zu machen und Wege zu finden wie man gemeinsam für die Allgemeinheit etwas schaffen kann und sich damit für eine wichtige Tradition – nämlich das aktive Vereinsleben – eingesetzt und versucht diesen Wert im Jahr 2020 hochzuhalten und zu schützen.

Und genau dieses Engagement, welches die Gebirgsschützen an den Tag gelegt haben, wird in den nächsten Wochen und Monaten enorm wichtig sein, um in unsere gewohnte Ortsstruktur zurückzufinden. Wir müssen wieder zusammenrücken, diskutieren, gemeinsam anpacken, uns für unsere Heimat interessieren, Verständnis für die unterschiedlichen Sichtweisen und Meinungen aufbauen und unsere Bürgerschaft und vor allem die Junge Generation aktivieren sich in dem Maße zu engagieren wie die vorherigen.  

Wir haben ja in den letzten Monaten einige Beerdigungen und Todesfälle in unserer Gemeinde gehabt – darunter waren auch etliche Wiedergründungsmitglieder unserer Gebirgsschützenkompanie, also Schützen durch und durch – mit beeindruckenden Lebensläufen. Von dieser Generation kann die unsere vieles Lernen. Das habe ich in den letzten Wochen mehrfach in Ansprachen betont – Verantwortung in der Familie, Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, im Vereinsleben, im Gemeinderat oder in anderen Institutionen, das Bewahren der Traditionen, unserer Religion und der Identität, die uns ausmacht, all das sind Werte, die wir aufrechterhalten, verteidigen und teilweise wiedererlangen müssen. Mein Stellvertreter Wolfgang Sattelberger und ich sind deshalb dankbar dafür, dass wir hier mit den Gebirgsschützen eine Institution haben, die genau für diese Werte und Tugenden seit 51 Jahren einsteht und dies weiterhin tun wird. Der Gemeinsinn, der durch Eure Arbeit vermittelt wird, hilft auch uns Bürgermeistern und den Gemeinderäten in Ihrer Arbeit.

Bevor wir im Rahmen des Jubiläums mit Wolfgang Sattelberger gleich noch ein Präsent überreichen werden, möchte ich nicht nur dem Hauptmann mit seiner Kompanie noch ein kurzes Zitat zum Beherzigen mit auf den Weg geben, sondern für alle ein Zitat von Friedrich Hundertwasser – man kennt ihn als Architekten aus Wien – anführen

Es lautet:

„Wer die Vergangenheit nicht ehrt, verliert die Zukunft, wer seine Wurzeln vernichtet, kann nicht wachsen“ 

 

Fotos: Rainer Nitzsche

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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