Kirche

Am Grab von Hilde Reuther – mit 99 Jahren verstorben

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Nur vier Monate vor ihrem 100. Geburtstag  verstarb Hilde Reuther aus Prien. Erst vor wenigen Wochen ging  ihr Mann, der Apotheker Dr. Fritz Reuther ihr im Tod voraus, zusammen waren sie 75 Jahre verheiratet. Beide zusammen waren über ihre große Familie hinaus durch viele gemeinsame Interessen und Aktivitäten miteinander und mit der Bevölkerung eng verbunden. An das lange und reiche Leben von Hilde Reuther erinnerte Gemeindereferent Werner Hofmann in  der Pfarrkirche „Maria Himmelfahrt“, dabei gestalteten Musikschulleiterin Brigitte Buckl und Kirchenmusiker Bartholomäus Prankl den Trauergottesdienst volksmusikalisch und mit Orgelbegleitung.

„Hilde Reuther hat mehr als 36.135 Tage gelebt, gefreut, gelitten, geglaubt, gezweifelt, gegeben und empfangen“ – so begann Werner Hofmann seinen Rückblick, der mit der Kindheit im pinzgauerischen Bergbauerndorf Embach ohne Abhängigkeit von Industriealisierung und ohne Zeitmanagement begann und bis zum aktiven Ruhestand in der Seniorenresidenz in der Priener Schillerstraße dauerte. Als lediges Kind wohnte das Kind Hilde auf dem Familienbauernhof  bei der Großmutter und anderen Verwandten, die damalige Armut machte es sogar nötig, vom Handarbeits-, Mal- und Bastelunterricht fernzubleiben, da die Familie die Groschen für die Materialien nicht aufbringen konnte. Bis zur vierten Volksschul-Klasse in Embach war sie immer die beste Schülerin, als einzige ihrer Klasse durfte sie im Tal die höhere Schule in Lend besuchen. „Der Fußweg ins Tal dauerte im Sommer eine Stunde und immer Winter eineinhalb Stunden, geräumte Wege und wasserdichte Kleidung gab es damals nicht“, so Werner Hofmann. Nach Beendigung der Schule machte sich Hilde mit 14 Jahren zu Fuß auf Arbeitssuche und sie kam zum Cafe Reisch in Kitzbühl als Bedienung und dann zum Gasteiner Hof nach Bad Gastein als Zimmermädchen. Nach Ausbruch des Krieges machte sie mit ihrem ersparten Geld eine Ausbildung zur Lazarettkrankenschwester, ihr erster Einsatz war in Lochau bei Bregenz in einem Erholungsheim für Schwerstverletzte. Trotz des großen Leids sorgte sie für Heiterkeit und für Sportfeste mit Arm- und Beinamputierten, bald wurde sie in das Lazarett nach Innsbruck versetzt, dort lernte sie ihren späteren Mann Fritz als Kriegsversehrten kennen. Hilde und Fritz Reuther bekamen vier Kinder und zogen nach Prien. Dort war sie eine starke und wichtige Frau auch für den TuS Prien und für dessen Turnabteilung, zugleich war sie bei der 100-Jahr-Feier 1978 Fahnenmutter für den TuS Prien. Wie Fritz Seipel als Leiter der Turnabteilung am offenen Grab sagte, war sie Initiatorin einer Kinder-Ortsgruppe, sie studierte mit dieser Theaterstücke ein, diese wurden auch in der Kinderklinik in Aschau aufgeführt und sie rief auch noch eine Turnstunde für Senioren im Caritas-Altenheim ins Leben. Für all ihre Verdienste in den 60 Jahren ihrer Mitgliedschaft wurde sie zum Ehrenmitglied des TuS Prien ernannt. „Hilde Reuther hat aus der Turnabteilung eine nachhaltige Turnfamilie gemacht“, so Fritz Seipel. Ihr großes Herz und ihr stets offenes Ohr für Traurige, Leidende,  Arme und Bedürftige  schenkte sie auch ihrer Familie. Wie Enkelin Steffi in Gedichtform erinnerte, vertraute sich Hilde Reuther bei der Ordnungs-Pflege ganz stark dem Heiligen Antonius an. Auch ihre sportlichen Aktivitäten in den Bergen bis ins hohe Alter und ihr enormes Wissen waren und bleiben Vorbild für ihre Nachfahren. Für die musikalische Gestaltung auf dem Friedhof sorgten Enkel-Kinder und am Schlagzeug ein Ur-Enkel.   

Sterbefoto: Hilde Reuther, verstarb mit gut 99 Jahren

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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